Sie ist ehrgeizig, ihre Karriere ist ihr wichtig, aber der wichtigste Teil ihres Lebens ist die Beziehung zu ihrem Ehemann. Gabi arbeitet viel, ist sehr pflichtbewusst und hält viel von weiblichen Netzwerken. Sie bemüht sich immer das Gute zu tun. Bei der Unterstützung einer Flüchtlingsfamilie aus Mossul war sie emotional sehr gefordert.

Die Gute

Uschi: Das Wort, mit dem ich dich charakterisiere, hat drei Buchstaben. Kommst du drauf?

Gabriele Ambach

Gabi: (Denkt nach). Nein.

Uschi: Es ist das Wort „gut“. Du bemühst dich immer, das Gute zu tun.

Gabi: Ja, eigentlich schon. Das stimmt schon.

Uschi: Woher kommt das?

Gabi: Ich bin überzeugt davon, dass das für mich der bessere Weg ist. Es ist für mich selbstverständlich. Das heißt aber nicht, dass jemand, dem man Gutes tun will, das auch so empfindet. Wenn ich von etwas überzeugt bin, versuche ich das zu tun, was meiner Meinung nach richtig ist. Es macht mir einfach Freude, wenn ich jemandem helfen kann.

Uschi: Es stimmt aber schon, dass du grundsätzlich einen anderen Menschen immer positiv siehst, bevor er oder sie dich vom Gegenteil überzeugt.

Gabi: Ja. Im Zusammenhang mit Flüchtlingen zum Beispiel bin ich überzeugt davon, dass es besser ist, jemandem eine Chance zu geben. Keine Vorbehalte zu haben, sondern grundsätzlich vom Positiven auszugehen. Also zum Beispiel nicht damit zu rechnen, dass alle Flüchtlinge nach Österreich kommen, um unser Sozialsystem auszunützen. Solch verallgemeinernde Haltungen lehne ich ab. Ich finde, wir sollten davon ausgehen, dass das Menschen sind, die Schutz suchen oder meinetwegen auch ein besseres Leben. Aber dass sie mit legitimen Erwartungen kommen. Natürlich ist mir klar, dass es darunter Menschen gibt, die wissen, dass wir ein gutes Sozialsystem haben, und in der Hoffnung kommen, dass ihnen das auch zugutekommen wird.

Die Familie aus Mossul

Gabi war von Anfang an in der „Flüchtlingskrise“ engagiert: Zuerst im Rahmen der Erstversorgung, dann baute sie zu einer irakischen Familie, die mit drei kleinen Kindern aus Mossul geflüchtet war, eine freundschaftliche Beziehung auf. Das damals zweijährige Mädchen hatte eine Kopfverletzung, die in Österreich operiert wurde. Gabi half bei der Organisation der Operation und unterstützte die Eltern bei Gesprächen mit Ärzten und Pflegenden.

Gabi: Das war emotional schon sehr fordernd und daraus hat sich dann eine tiefer gehende Beziehung entwickelt. Mit der Zeit haben sie mehr über ihre Flucht erzählt. Man kann sich das ja gar nicht vorstellen, dass eine Familie mit drei kleinen Kindern in einem Schlauchboot übers Meer flüchtet. Sie wurden damals mit dem Tod bedroht, weil sie, als gut ausgebildete Leute, vom IS rekrutiert werden sollten und das nicht wollten. Er war pharmazeutischer Referent, sie Ärztin. Sie hatten für sich im Irak keine Möglichkeit mehr gesehen.

Uschi: Das Leben in Österreich war für sie allerdings nicht einfach. Zumindest anders, als sie es gewohnt waren.

Gabi: Ich habe einmal ein Foto von dem Auto gesehen, das sie im Irak hatten. Ein riesiger SUV. Der kleine Sohn hat nicht verstanden, warum sie in Österreich kein Auto hatten, so wie die Eltern der anderen Kinder im Kindergarten. Natürlich war es schwierig, hier als Flüchtlinge zu leben. Anfangs hatte sie noch viel Hoffnung und Pläne.

Uschi: Die Eltern wollten hier wieder in ihren Berufen arbeiten, aber das ging nicht so einfach.

Gabi: Es hätte lange gedauert, bis ihr Studium bei uns anerkannt worden wäre. Sie hätten Jahre gebraucht um sich ein gutes Leben in Österreich aufzubauen. Als sie dann über einen Kontakt erfahren haben, dass sich das Asylverfahren noch viele Monate hinziehen würde und der Ausgang natürlich offen wäre, haben sie für sich keine Perspektiven mehr gesehen.

Zu dieser Zeit erfuhr die Familie, dass die irakische Regierung ihre Leute zum Wiederaufbau des Landes wieder zurückholen wollte, und entschloss sich zur Rückkehr.

Uschi: Im Grunde genommen war dann alles umsonst. Die Flucht, die Strapazen, das Deutschlernen, sie hatten schon viel Energie und Mühe in das Leben hier investiert.

Gabi: Ja, andererseits waren sie in den Jahren in Österreich in Sicherheit. Im Dezember sind sie zurückgekehrt. Wir sind noch immer in Verbindung, aber der Abschied war schwer.

Uschi: Wenn du so erzählst, merke ich, dass dich das sehr berührt.

Gabi: Ja, es waren ja auch sehr persönliche Dinge, die wir miteinander erlebt haben.

Uschi: Gibt es eine Grenze für dein Engagement?

Gabi: Ich würde nichts tun, bei dem ich mich in Gefahr brächte. Auch wenn es um grundlegende Wertvorstellungen oder politische Überzeugungen geht, wäre es für mich nicht denkbar, bestimmte Grenzen zu überschreiten. Und ich merke, ich muss aufpassen, dass ich mir Dinge nicht zu sehr zu Herzen nehme. Menschen, die in der Sozialarbeit tätig sind, lernen damit umzugehen, weil sie das sonst nicht aushalten. Dieses Coaching habe ich nicht. Wäre ich öfter in so einer Situation, dann müsste ich mich intensiver damit befassen, wie ich mich abgrenzen könnte. Ich habe damals schon gemerkt, speziell bei der Operation des kleinen Mädchens, dass ich das nicht so leicht aus dem Kopf bringe.

Gabriele Ambach

Geboren 1964 in Linz

1983 - 1984 Oberbank Linz

1984 - 1986 Wirtschafts-und Fremdsprachenakademie Salzburg

1986 Hotelrezeption Tirol

1987 Reisebüro Ruefa Linz

1987 - 1988 Exportabteilung Firma Rosenbauer Leonding

1988 - 1996 Studien-und Prüfungsabteiliung Johannes Kepler Universität Linz

1996 - 2001 Sachbearbeiterin Integrationsbüro Magistrat Linz

Seit 2001 Leiterin des BürgerInnenservice im Magistrat Linz

2000 - 2005 Studium Soziologie Johannes Kepler Universität Linz

Seit 2015 Vorsitzende der Gleichbehandlungskommission im Magistrat Linz

Gabi ist verheiratet

Sicherheit als Wert

Uschi: Du hast im zweiten Bildungsweg mit 36 Jahren ein Soziologiestudium begonnen. Das hättest du einfacher haben können. Warum hast du nicht gleich nach deiner Matura an der Handelsakademie studiert?

Gabi: Ich habe damals nicht so genau gewusst, wo ich beruflich hin will. Soziologie hat mich zwar schon immer interessiert, aber ich habe beruflich kaum Chancen gesehen. Außerdem hätten mich Physiotherapie oder Logopädie interessiert, aber auch da waren damals die Berufschancen schlecht. Was ungeschickt war, weil sich so etwas ja später ändern kann.

Gabriele Ambach

Uschi: Warst du so zielgerichtet, dass du daran gedacht hast, einen Beruf zu erlernen, von dem du einmal gut leben kannst?

Gabi: Ja, das hat damals schon eine Rolle gespielt. Vielleicht auch durch mein Elternhaus.

Uschi: Deine Eltern hatten eine Fleischhauerei und später eine Trafik.

Gabi: Ich hätte schon studieren könne, wenn ich genauer gewusst hätte, was ich wollte, aber es war nicht selbstverständlich. Es war meinen Eltern aber wichtig, dass ich eine gute Ausbildung habe. Die Existenzsicherung hat für sie immer eine Rolle gespielt. Zum Beispiel hat es mein Mann anfangs mit ihnen schwer gehabt, weil er Biologe ist, was wirtschaftlich nicht so vielversprechend war. Da hatte er einen schwereren Stand, als wenn ich mit einem Juristen oder mit einem Fleischhauer gekommen wäre.

Uschi: Akademische Bildung hatte keinen besonders hohen Wert.

Gabi: Genau, wobei mein Ziel nie war, dass ich gut verdiene, aber eine gewisse Sicherheit schon.

Uschi: Dabei bist du ja durchaus ehrgeizig. Oder ist das erst später im Leben gekommen?

Gabi: Das war ich schon immer. Für mich ist es selbstverständlich, dass ich meine Arbeit so gut, wie möglich, mache. Ich bin sicher sehr pflichtbewusst. Und es ist mir wichtig, dass ich etwas verändern kann, dass ich gestalten kann, dass ich selbstständig arbeiten kann. Und das geht halt meist erst in einer gewissen Position.

Selbständig arbeiten

Gabi besuchte die Wirtschafts-und Fremdsprachenakademie in Salzburg und lebte in einem Studentenheim, wo sie auch ihren späteren Mann kennenlernte. Ihre ersten Berufsjahre waren von vielen Wechseln geprägt.

Uschi: Du hast in einer Bank gearbeitet, in einem Hotel, in einem Reisebüro und beim Feuerwehrfahrzeugbauer Rosenbauer. Warum? Warst du unstet, wolltest du mehr, war dir langweilig?

Gabi: Ich war auf der Suche nach dem Richtigen. Ich wollte etwas mit Sprachen machen, aber das hat sich nicht realisieren lassen. Im Hotel habe ich zwar die Sprachen gebraucht, aber die anderen Aufgaben waren nicht das Richtige für mich, im Reisebüro waren Fremdsprachen gar nicht wichtig und bei Rosenbauer habe ich die Sprachen zwar verwenden können, aber letztlich war ich Sekretärin für einen Mann, der eine schlechtere Ausbildung hatte als ich.

Gabriele Ambach

Uschi: Der erste Arbeitgeber, der dich länger halten konnte, war die Universität. Du warst an der Studien-und Prüfungsabteilung an der Johannes Kepler Universität.

Gabi: Ich war Sachbearbeiterin für ausländische Studierende, da habe ich Kontakt mit den Studierenden gehabt und viel dazu lernen können. Das hat mir sehr gut gefallen, vor allem weil ich einen selbständigen Arbeitsbereich hatte.

Uschi: Selbständige Arbeit scheint dir wichtig zu sein. Was verstehst du darunter?

Gabi: Dass ich eigenständig entscheiden kann, dass mir nicht jemand jeden Handgriff anschaffen kann.

Karriere und Verantwortung

Nach acht Jahren an der Universität wollte Gabi sich beruflich wieder verändern. Sie begann beim Magistrat Linz im Integrationsbüro.

Gabi: Damals war der MigrantInnenbeirat gerade neu eingerichtet worden. Wir haben mit den NGOs zusammengearbeitet, ich habe Beratungen gemacht, Veranstaltungen organisiert. Das war eine tolle Erfahrung. Ich habe vor allem die Kontakte mit den MigrantInnenvereinen sehr geschätzt.

Uschi: Trotzdem bist du dort weg, weil du eine Chance auf eine Abteilungsleitung bekamst. Das war sowohl eine inhaltliche als auch eine karrieretechnische Entscheidung.

Gabi: Ja. Ich war davor sechs Jahre im Integrationsbüro und es stellte sich die Frage, was sich an neuen Aufgaben auftun könnte.

Gabriele Ambach

Uschi: Warum ist das so entscheidend für dich? Dir hat die Arbeit im Integrationsbüro ja große Freude gemacht.

Gabi: Ja, die habe ich auch in sehr positiver Erinnerung. Aber da gab es eben die Chance, wieder etwas völlig Neues zu machen. In diese Zeit fiel die Planung des neuen Bürgerservice Centers, bei dem Linz eine Vorreiterrolle unter den Magistraten und Gemeinden hatte. Es wurden diverse Serviceleistungen zusammengefasst, so dass die Bürgerinnen und Bürger nicht mehr in die einzelnen Abteilungen mussten, sondern nur mehr ins Servicecenter. Das war eine große organisatorische Änderung und für mich die Chance das aufzubauen, das hat sehr gut gepasst. Ich habe immer wieder den Wunsch gehabt, etwas Neues zu machen.

Uschi: Worum geht es dir dabei?

Gabi: Etwas Neues lernen, mehr Verantwortung, mehr Möglichkeiten Dinge zu beeinflussen.

Gendern und Binnen-I

Seit sechzehn Jahren ist Gabi Leiterin des Bürgerservice der Stadt Linz. Vor einigen Jahren veranlasste sie, dass die Stationsdurchsagen in der Straßenbahn statt, wie bisher üblich, „Bürgerservice“ plötzlich „BürgerInnenservice“ lauteten. Das verschreckte so manche Fahrgäste, denn man hätte zwar an ein Binnen-I in „BürgerInnenservice“ denken können, aber so wurde das nicht verstanden und die Männer fühlten sich nicht mitgemeint.

Uschi: War das damals mutig oder hast du einfach geglaubt, dass wir schon viel weiter sind?

Gabi: Ich habe gehofft, dass wir weiter sind. Dass das so einen Aufruhr auslöst, habe ich nicht erwartet. Speziell bei der Sprache ist die Sensibilität ganz hoch. Dass sich Männer nicht mitgemeint fühlen, während Frauen das seit ewigen Zeiten müssen. Es hat nicht nur von den Fahrgästen Reaktionen gegeben, sondern auch intern Widerstände ausgelöst. Auch bei Mitarbeiterinnen im Servicecenter, da die ja direkt mit den Reaktionen der Kundinnen und Kunden konfrontiert waren. Das hat intensive Diskussionen gegeben.

Uschi: Jedenfalls heißt es inzwischen in der Straßenbahn „Bürgerinnen-und Bürgerservice“, damit wird die weibliche Form jetzt berücksichtigt, was davor nicht der Fall gewesen war.

Gabi: Ja genau und das ist mir wichtig (lacht).

Uschi: Du legst auf Geschlechtergerechtigkeit großen Wert. Bist du Feministin?

Gabi: Ja.

Uschi: Quote?

Gabi: Ja, ich glaube es geht nicht anders. Leider.

#metoo und Rassismus

Uschi: Wenn du die #metoo-Debatte verfolgst - was empfindest du da?

Gabi: So schwer es für viele Frauen ist, bin ich froh, dass es die Diskussion gibt. Ich bin froh, dass so viele Frauen den Mut gehabt haben, sich zu äußern. Ärgerlich und traurig finde ich, dass es auch Frauen gibt, die dafür kein Verständnis haben. Ich hoffe sehr, dass sich die Geschichte weiter positiv entwickelt. Es gibt jetzt eine Chance, dass man ein Umdenken erreichen könnte und nichts mehr totgeschwiegen wird.

Uschi: Was hat sich deiner Meinung nach verändert?

Gabi: Ein Mann, der eine Frau herabwürdigt oder gar missbraucht, hat nicht mehr die Sicherheit, dass ihm nichts passiert. Das macht einen großen Unterschied.

Uschi: Und du meinst, das ist nicht mehr umkehrbar?

Gabi: Das Risiko für Männer ist jetzt einfach größer. Und weil es viele mutige Frauen gegeben hat, wird es auch für andere Frauen leichter, sich zu wehren. Das allein hat ja schon etwas bewirkt.

Uschi: Du vergleichst das auch mit rassistischen Tendenzen, wo es ja leider umgekehrt ist.

Gabi: Da werden Aussagen und Hetze jetzt wieder mehr geduldet. Es macht etwas mit den Menschen, wenn ich weiß, es wird dem etwas entgegengesetzt. Wenn ich weiß, es gibt massiven Widerstand oder es wird nicht toleriert, dann mache ich so etwas nicht, auch wenn ich es gerne möchte, oder ich mache es nicht mehr so öffentlich. Ich schimpfe nicht über Ausländer, wenn ich weiß, dass es nicht toleriert wird. Insofern glaube ich, dass allein das, was jetzt durch #metoo passiert ist, schon viel geschafft hat.

Netzwerken

Unter Gabis Führung wurden im Magistrat Linz das Teleservicecenter, das erste kommunale Call Center Österreichs, aufgebaut und entscheidende Veränderungen im Reisepass Center vorgenommen. Dabei ging es um strategische und technische Umgestaltungen.

Gabi: So etwas liegt mir, ich kann sehr gut organisieren und Gesamtzusammenhänge mit beachten, sehen, welche Auswirkungen das zum Beispiel auf andere Abteilungen hat und welche Aufgaben zusammenpassen. Solche Überlegungen stelle ich sehr gerne an.

Gabi im Büro

Uschi: Du bist Vorsitzende der Gleichbehandlungskommission im Magistrat Linz und seit vielen Jahren Teil eines Frauenführungskräftenetzwerkes. Männer hatten solche Netzwerke ja schon immer, imitieren Frauen da ein männliches System?

Gabi: Bei Männern funktioniert das viel selbstverständlicher auch außerhalb von strukturierten Netzwerken. Ich habe den Eindruck, dass sie sich generell mehr Zeit für ein Zusammenkommen nehmen, während Frauen eher dazu neigen, viel zu arbeiten und sich zu wenig Zeit für Austausch und Kontaktpflege zu nehmen. Deshalb wurde unser Netzwerk von einigen Dienststellenleiterinnen gegründet. Durch das nähere Kennenlernen können wir einander besser unterstützen, damit die Zahl der weiblichen Führungskräfte steigt. Auf dem Weg dorthin helfen wir uns mit Erfahrungen und mit Informationen weiter.

Uschi: Bringt das was?

Gabi: Ja, das stärkt. Wenn du Kontakte hast und eine andere Führungskraft besser kennst, dann ist es leichter, wenn es einmal ein Problem oder Fragen zu ihrem Themenbereich gibt. Durch eine gewisse Vertrauensbasis kann man leichter zusammenarbeiten.

.....und außerdem:

Beruf: Ich wäre durchaus noch an einer beruflichen Veränderung interessiert. Ich bin zufrieden mit meinem Job, aber interessiert, wenn sich etwas ergibt. Ich würde nicht irgendetwas nehmen, es müsste schon gut passen, aber …

Verantwortung: Ich übernehme gerne Verantwortung und fühle mich auch schnell für etwas verantwortlich. Wenn jemand zu mir kommt und ein Problem schildert, versuche ich sofort aktiv an einer Lösung zu arbeiten. Anstatt zu sagen, dieses und jenes ist zu tun, übernehme ich es oft selbst. Es fällt mir schwer, Dinge einfach laufen zu lassen.

Kinder: Wir haben natürlich darüber nachgedacht, aber es hat sich dann so entwickelt, dass wir uns dagegen entschieden haben. Das hängt mit den Rahmenbedingungen zusammen, mit der beruflichen Entwicklung bei meinem Mann. Ich habe nie einen so ausgeprägten Kinderwunsch gehabt, wie andere Frauen. Es wäre auch ein vorstellbarer Lebensentwurf gewesen, aber für uns hat es so gut gepasst.

Spätes Studium

Uschi: Du hast neben deinem doch recht fordernden Job mit 39 Jahren ein Studium begonnen und abgeschlossen. Was hat dich da getrieben?

Gabi: Interessiert hat mich das Soziologiestudium ja schon immer, weil es sich mit gesellschaftlichen Zusammenängen befasst. Ich habe darin eine Möglichkeit gesehen, an Themen, die mich interessieren, anders heranzugehen. Für meine Aufgaben im Magistrat war es eine gute Grundlage und die Möglichkeit, mir eine noch fundiertere Basis zu schaffen. Ich war am Anfang gar nicht sicher, ob ich es durchziehen würde. Dann allerdings kamen die Studiengebühren und um nur ein oder zwei Lehrveranstaltungen im Semester zu machen, war es mir dann zu teuer. Dann habe ich es relativ schnell durchgezogen.

Uschi: Das Studium neben der Arbeit muss ja sehr anstrengend gewesen sein, wobei du ja generell immer viel gearbeitet hast und das noch immer tust. Du gehst früh ins Büro, kommst spät nach Hause.

Gabi: Das stimmt, aber das Studium nebenher habe ich als spannende Abwechslung empfunden, obwohl es vor allem in Prüfungszeiten schon sehr stark war.

Uschi: Das heißt, dass du schon ziemlich belastbar bist.

Gabi: Das hängt vor allem damit zusammen, dass ich die Arbeit gerne mache. Und dass ich oft lange im Büro bin, hat auch damit zu tun, dass ich einen bestimmten Anspruch an die Qualität meiner Arbeit habe.

Wertvolle Beziehung

Uschi: Du bist seit einunddreißig Jahren mit deinem Mann zusammen. So etwas ist selten....

Gabi: Ja (lacht). Es funktioniert einfach gut. Es sind im Großen und Ganzen die Grundinteressen, die passen, die Wertvorstellungen, und wir haben im Laufe der Jahre großes Vertrauen zueinander aufgebaut. Bis vor einiger Zeit hätte ich gesagt, dass sich immer etwas ändern kann. Ich hätte früher nicht ausgeschlossen, dass man sich auch wieder in einen anderen Menschen verlieben kann. Aber mittlerweile kann ich mir nicht vorstellen, mit einem anderen so eine Vertrauensbasis aufzubauen. Sollte es auseinandergehen, würde das Leben irgendwie weitergehen, aber ich würde es mir sehr gut überlegen, ein Risiko einzugehen, irgendetwas zu tun, was die Beziehung beschädigen könnte. Es ist so etwas Wertvolles und es ist mir sehr wichtig, das ist der wichtigste Teil meines Lebens.

Uschi: Dein Mann ist Biologe. Du bist in eurer Beziehung die ökonomisch Stärkere. Spielt so etwas eine Rolle?

Gabi: Naja, wir haben unser Leben darauf ausgerichtet und ich bin sehr froh, dass sich das so entwickeln konnte. Eine Zeit lang war die Frage, ob mein Mann weiter als Biologe Projekte machen oder in einer Pharmafirma anfangen sollte, denn das tun einige, die im wissenschaftlichen Bereich keine Möglichkeit zum Überleben finden. Es war aber klar, dass er damit nicht glücklich geworden wäre und insofern bin ich schon sehr froh über meinen sicheren Arbeitsplatz. Das ist ja nicht selbstverständlich. Und so ist unser Leben möglich. Mein Mann kann einen Beruf ausüben, der ihn interessiert und wir kommen gut über die Runden, auch wenn er Jahre dabei hat, in denen er nicht so viel verdient.

Gabriele Ambach

Uschi: Wobei ihr euch ja auch das Leben im Haushalt aufteilt.

Gabi: Auf jeden Fall. Der zusätzliche Effekt neben dem Ökonomischen ist, dass er einen großen Teil der Hausarbeiten übernimmt und in den letzten Jahren immer mehr der Koch in der Familie geworden ist.

Uschi: Was schätzt du besonders an eurer Beziehung?

Gabi: Dass wir uns so gut ergänzen. Mein Mann ist ein extrem rücksichtsvoller Mensch. Er ist immer bemüht. Wenn wir streiten, dann liegt es oft an mir, weil ich grantig oder ungeduldig bin.

Pflege der Eltern

Uschi: Du lebst im selben Haus, wenn auch nicht in derselben Wohnung, wie deine Eltern. Dein Vater wird inzwischen von einer 24-Stunden-Pflegerin betreut, du selbst kümmerst dich sehr um deine Eltern.

Gabi: Das hat sich in den letzten Jahren sehr intensiv entwickelt, seit sich der Gesundheitszustand meines Vaters verschlechtert hat. Er ist ein Pflegefall und auch meine Mutter braucht immer mehr Betreuung und Unterstützung. Das beeinflusst unser Leben schon sehr stark. Wir haben uns damals die Entscheidung ins Haus meiner Eltern zu ziehen, nicht leicht gemacht, aber jetzt bin ich froh darüber. Ich bin die einzige Tochter und so immer in der Nähe.

Uschi: Diese Nähe bringt aber auch mehr Belastung mit sich.

Gabi: Natürlich ist das auch belastend, aber es geht mir besser, wenn ich meinen Eltern helfe und ich halte es für selbstverständlich. Ganz abgesehen davon, dass wir nicht so gut leben könnten, wenn meine Eltern uns nicht mit dem Haus eine Grundlage bieten würden. Außerdem beteiligt sich mein Mann und da ist es wertvoll, dass er zeitlich flexibel ist.

Uschi: Es ist schon seltsam, wie sich die Rollen zwischen Eltern und Kindern verändern.

Gabi: Früher haben die Eltern die Verantwortung gehabt und jetzt bestimme ich ihr Leben mit. Beeinflusse es stark. Das ist….. (zögert)

Uschi: Traurig?

Gabi: Ja, irgendwie schon. Mein Vater war eine Autorität und ich habe mich viel an ihm gerieben und mich gewehrt. Aber das war schlagartig vorbei, als ich mitbekommen habe, dass einige dieser Konflikte mit seiner Krankheit zusammenhängen. Dann habe ich ihm nicht mehr böse sein können. Der Kampf um Anerkennung, um meine Position, mein eigenständiges Leben war dann kein Thema mehr. Er war immer ein Macher, hat viel gearbeitet, viel geschafft, viel erreicht. Jetzt bin ich, so schlimm es vielleicht klingt, froh, dass er seinen Zustand geistig nicht mehr so wahrnehmen kann. Er war immer der Bestimmer in der Familie.

Uschi: Du bist in einem sehr patriarchalen Umfeld aufgewachsen.

Gabi: Ja, schon.

Uschi: Das hast du nicht in deine Beziehung übernommen.

Gabi: (Lacht) Nein, überhaupt nicht.

Zu wenig Zeit

Uschi: Ich habe den Eindruck, dass Zeit in deinem Leben eine ganz wesentliche Rolle spielt, beziehungsweise die Zeit, die du nicht hast.

Gabi: Ja das stimmt. Die Zeit ist immer sehr ausgefüllt.

Gabi glasiert Sachertorte

Uschi: Warum ist das so?

Gabi: Manchmal glaube ich, dass ich es im Grunde vielleicht gar nicht anders will. Auch wenn ich dann wieder denke, dass ich gerne mehr Bücher lesen würde, mehr Ruhe haben würde. Viel Freizeit ist bei uns ausgefüllt mit der Pflege von Freundschaften, das ist uns beiden sehr wichtig. Wir kochen gerne, laden die Familie, Freundinnen und Freunde ein, gehen gerne gemeinsam aus, daher ist es so, dass wir viele Wochenenden schon verplant haben und nichts spontan ausmachen können.

Uschi: Um genau zu sein, habt ihr immer schon etwas vor.

Gabi: (Lacht) Ja, meistens.

Uschi: Du stellst jeden Tag einen Wecker für den nächsten Morgen. Warum?

Gabi: Ja, irgendwie haben wir immer was vor und wollen die Zeit nützen. Wenn wir zu lange schlafen, würden wir mit dem, was wir vorhaben, nicht zusammenkommen.

Uschi: Ergibt sich da nicht auch ein gewisser Druck? Du bist ja schon mit deinem Beruf und der Sorge um deine Eltern gut ausgelastet.

Gabi: Ja, das stimmt…. (zögert) - man könnte das überdenken (lacht herzlich).

Uschi: Angenommen du hättest mehr Zeit - wofür würdest du sie nützen?

Gabi: Für aktiveres soziales oder gesellschaftspolitisches Engagement. Das wäre meine Überlegung, vielleicht auch für die Pension. Jetzt kann ich so etwas nur punktuell oder bei Einzelaktionen machen.

Der gewisse Perfektionismus

Uschi: Was kannst du besonders gut?

Gabi: Ich kann gut mit Menschen umgehen, kann gut eine Vermittlerrolle einnehmen und Ausgleich schaffen

Uschi: Was kannst du nicht gut?

Gabi: Ich tu mir schwer damit, wenn jemand sehr leichtfertig mit seinen Aufgaben umgeht. Nachdem ich selbst sehr pflichtbewusst bin...

Uschi: ... und sehr genau.

Gabi: Ja, ich bin sehr genau.

Uschi: Geht das schon ich Richtung Korinthenkackerei?

Gabi: (Zögert) Manche würden das so sehen. Ich finde das nicht, aber ich bin sehr genau und deshalb tue ich mir schwer, bei einem anderen Gleichgültigkeit zu akzeptieren. Dieses „das geht schon irgendwie“ kann ich nicht akzeptieren. Ich weiß natürlich, dass ich nicht von jedem diese Genauigkeit erwarten kann, die ich habe, aber eine gewisse Ernsthaftigkeit schon, speziell im Beruflichen.

Uschi: Nur im Beruflichen?

Gabi: Nein, auch wenn ich privat etwas mache, habe ich einen gewissen Perfektionismus.

Uschi: Da fehlt ein wenig die Leichtigkeit?

Gabi: Ja, da hätte ich wohl noch Potential (lacht).

Die Gespräche wurden im Jänner 2018 in Linz geführt.