In Paris und New York war sie als Au-Pair, in Abu Dhabi hat sie zwei Kinder bekommen, in Nigeria hat sie sich von ihrem Ehemann getrennt. Jetzt lebt sie im Mühlviertel und ist glücklich mit ihrer Arbeit in einem Wohnhaus für psychisch Kranke.


Überall willkommen

Uschi: Du bist in deinem Leben viel herumgekommen: aufgewachsen im Hausruckviertel, als junge Frau in Paris und in New York, drei Jahre in Abu Dhabi und ein Jahr in Nigeria - überall hast du dich wohl gefühlt. Woran glaubst du liegt das?

Ulli: Ich fühle mich einfach immer genau dort wohl, wo ich gerade bin. Vielleicht weil ich in der Gegenwart lebe, weil ich wenig zurück oder nach vorne schaue und die Herausforderung genau so annehme, wie sie jetzt gerade ist. Und es gefällt mir auch, wenn ich mich auf etwas Neues einlassen kann. Da bin ich dann richtig in meinem Element.

Ulli Böck

Uschi: Du bist sehr anpassungsfähig.

Ulli: Ich bin die älteste von vier Töchtern und war sehr erwünscht von meiner Mutter, weil sie selbst nur Brüder hatte und gerne eine Schwester gehabt hätte. Als ich, als zweites Kind nach meinem Bruder, auf die Welt kam, war sie so glücklich, dass sie mir heute noch sehr oft davon erzählt. Und dieses Gefühl von „Willkommen Sein“, das begleitet mich ein Leben lang. Diese Freude darüber, dass ich da bin. Dieses Sonnige in meinem Gemüt, das sich dadurch entwickelt hat, sehe ich als Geschenk. Daher kommt wahrscheinlich auch, dass ich auf Menschen zugehen und in ihnen das Gute sehen kann, dass ich Vertrauen in die Menschen und das Leben überhaupt im Überfluss habe.

Leichtsinnig und vertrauensvoll

Bei unserem Gespräch in Ullis Haus stehen frische, selbst gebackene Salzstangerl und Mohnflesserl auf dem Tisch und es gibt herrlich duftenden Gugelhupf. Ulli ist sehr praktisch veranlagt. Dazu passte auch ihre Schulausbildung in der Höheren Lehranstalt für wirtschaftliche Berufe. Danach begann sie in New York das, was sie ihr „erwachsenes Leben“ nennt.

Ulli: Weg von zu Hause, unabhängig und als Au-pair trotzdem in der geschützten Umgebung einer Familie sein, das war toll. Meine Aufgaben dort konnte ich gut bewältigen, ich musste auf die Kinder aufpassen und kochen und das war ich ja gewohnt. Ich habe auch sehr viel unternommen, machte Yoga und Judo und hatte viele interessante Begegnungen.

Uschi: Hast du nie schlechte Erfahrungen gemacht?

Ulli: Ich war schon sehr leichtsinnig damals und habe auch Riskantes unternommen. Im Nachhinein denke ich, wenn meine Tochter das machen würde und ich wüsste es, - es würde mich zerreißen vor Sorge. Aber ich hatte immer das Urvertrauen, dass mir nichts passiert. Einmal bin ich am Abend in der Nähe des Central Park von einem Mann mit zwei Hunden angesprochen worden, der wollte mit mir in eine Bar gehen, aber zuerst noch die Hunde zurückbringen. Ich bin mit ihm in seine Wohnung und da dachte ich dann schon kurz, wenn der mir jetzt etwas antut, dann weiß kein Mensch, wo ich bin. Aber der lieferte nur die Hunde ab, wir gingen in eine Bar, unterhielten uns nett und fertig (lacht). Solche Dinge passieren mir oft.

Ulli hat das Gefühl, dass vieles in ihrem Leben zufällig passiert ist. So wie ihre erste Arbeitsstelle. Sie wollte damals Stewardess werden. Aber als sie eine Freundin besuchte, die in der VOEST arbeitete, wurde sie dort vom Personalchef angesprochen und prompt engagiert. Dann stieg sie sehr schnell zur Chefsekretärin auf. Als sie kurz darauf ihren späteren Ehemann kennenlernte, war es vor allem eines, das sie beim ersten Treffen an ihm faszinierte.

Ulli: Er sagte damals, dass er einmal nach Südamerika gehen werde. Da dachte ich mir: „Südamerika - da war ich noch nie“, und bin mit ihm ausgegangen…

Familiengründung in Abu Dhabi

Südamerika wurde es zwar nicht, aber Ulli ging 1983 mit ihrem Mann für drei Jahre für ein VOEST-Projekt nach Abu Dhabi. Dort wurde eine Meerwasserentsalzungsanlage gebaut und Ulli fand als Baustellensekretärin Arbeit. Mutig findet sie ihren Schritt nicht.

Ulli: Nein, dazu braucht man keinen Mut. Es war einfach ein großer Reiz. Ich war neugierig. Einmal abgesehen davon, dass die Tasten auf der englischen Schreibmaschine anders verteilt waren, fand ich mich schnell in den Berufsalltag ein.

Ulli im Garten

Mit Einheimischen gab es nur wenig Kontakt, da in Abu Dhabi, so wie überall in den Emiraten, vor allem Ausländer leben. Nur zwanzig Prozent der Bevölkerung sind gebürtige Emiratis. Im Alltag verkehrten Ulli und ihr Ehemann vor allem mit Indern, Pakistani, Libanesen und Europäern. Man feierte gemeinsam Hochzeiten, campierte in den Bergen oder unternahm Wochenendausflüge in die Wüste. Im Camp lebte das Paar mit österreichischen und deutschen Arbeitern.

Ulli: Es war ein gutes Zusammenleben mit den anderen Arbeitern. Wir haben das Camp ausgebaut und da haben wir wirklich etwas auf die Füße gestellt. Wir haben in Containern gelebt, haben sie verbessert, aufeinander gestapelt oder sonstwie versucht sie zu vergrößern und zu verschönern. Wir haben eine Plattform ins Meer gebaut und uns dort zum Frühstück getroffen. Wir waren eine Art Siedlergemeinschaft.

Uschi: Dass du in Abu Dhabi zwei Kinder bekommen hast, war ursprünglich nicht geplant. Warum bist du nicht zurück nach Österreich, um dort deine Kinder zur Welt zu bringen?

Ulli: Ich hatte die ersten Untersuchungen dort im Krankenhaus und da fühlte ich mich sofort aufgehoben. Die Betreuung war sehr gut, das Krankenhaus sehr fortschrittlich. Die Entscheidung in Abu Dhabi zu bleiben hat sich im Nachhinein auch als positiv herausgestellt, da ich eine Frühgeburt hatte, die in Österreich wahrscheinlich nicht so gut verlaufen wäre. In Abu Dhabi haben sie schon auf Dinge Wert gelegt, die in Österreich erst später kamen, zum Beispiel das Kind möglichst viel bei der Mutter zu lassen. In Österreich wäre mein Frühchen wahrscheinlich in den Brutkasten gekommen. Als ich das Kind hatte, verbrachte ich ein wunderbares Jahr mit ihm. Ich konnte mich ganz und gar darauf konzentrieren. Konnte einfach „sein“ und das Leben genießen. Es gab keine Ablenkungen, keine Verpflichtungen, es ging mir nichts ab. Das zweite Kind war zwar auch nicht geplant, aber das ist dann auch alles sehr rund abgelaufen.

Ulli Böck

Geboren 1959 in Natternbach, Oberösterreich. Geschieden, zwei Kinder

1978/79 New York

1983 - 1986 Abu Dhabi

1992/93 Kaduna, Nigeria

Seit 1997 Wohnbetreuung bei „pro mente“

Diplom für den Fachlehrgang für psychosoziale und sozialpsychiatrische Arbeit

Ende der Liebe und Anfang in Nigeria

Zurück in Österreich baute das Paar ein Haus im Mühlviertel, österreichischer Alltag kehrte ein. Dann erfuhr Ulli, dass es im Leben ihres Mannes noch eine andere Frau gab.

Ulli: Das war für mich sehr schlimm. Als ob mir der Boden unter den Füßen weggezogen würde. Ich war einfach davon ausgegangen, dass wir für immer zusammenbleiben. Ich hatte nie daran gezweifelt. Die Kinder waren 2 und 4 Jahre alt, wir waren gerade frisch ins Haus eingezogen und ich war am Boden zerstört. Ich wusste nicht, wie es weitergehen sollte.

Ulli

Uschi: Was war das Schlimme daran? Dass die Liebe weg war oder eher die praktische Seite?

Ulli: Eher das Praktische. Ich habe mich so allein gelassen gefühlt und wusste nicht, wie ich das mit zwei kleinen Kindern managen sollte. Schließlich hat mein Ehemann sich entschieden, doch bei mir und den Kindern zu bleiben.

Uschi: Originellerweise habt ihr einen Neustart in Nigeria geplant? Warum hast du da mitgespielt?

Ulli: Das war sicher der Reiz, ein anderes Land kennenzulernen. Und ich dachte auch, dass das eine Chance wäre, die Ehe zu retten, weil wir dort auf uns alleine gestellt wären und uns wieder finden würden.

Ullis Ehemann koordinierte als Baustellenleiter den Bau einer Weißölraffinerie in Kaduna im Norden Nigerias. Hier stand die problematische Beziehung nicht im Vordergrund. Es galt, mit zwei kleinen Kindern ein Leben in Afrika zu organisieren. Das Paar hatte mit dem Neuanfang ein gemeinsames Projekt.

Ulli: Die Situation in Nigeria war ganz anders als in Abu Dhabi. Hier waren wir keine Gruppe, sondern lebten allein. Unser Haus war desolat - auch wenn es für nigerianische Begriffe purer Luxus war - die meisten Straßen waren nicht befestigt, Ziegenherden liefen durch die Stadt, es war wie in einem Fernsehfilm über Afrika. Am Anfang dachte ich, das halte ich nicht aus. Aber dann lernte ich dazu und innerhalb weniger Wochen hat sich meine Einstellung geändert und der Reiz des Neuen war wieder stärker. Ich entdeckte, dass es fast alles, was wir brauchten, dort gab, - man musste es nur finden. Das wurde zu einer Herausforderung, die mir riesigen Spaß machte.

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