Schweinsschnitzel in Afrika

Ulli mochte die Nigerianer von Anfang an. Deren ungeheure, ansteckende Lebensfreude war ganz nach ihrem Geschmack. Sie kam gut mit ihren Hausangestellten aus und versuchte Haussa, die Sprache der Einheimischen zu lernen.

Ulli: Meine Kinder hatten ja die Unterlagen dazu von ihrer Schule. Meine Angestellten haben mir auch beim Lernen der Sprache geholfen und so habe ich mir den Respekt der Verkäufer auf dem Markt erarbeitet. Die haben mich dann nicht mehr als Europäerin sondern wie ihresgleichen behandelt, so habe ich zum Beispiel auf einmal die gleichen Preise wie die Einheimischen bezahlt.

Ulli auf ihrer Veranda

Uschi: In Nigeria hattest du, anders als in Abu Dhabi, schon Kontakt zu Einheimischen.

Ulli: Ja, ich erinnere mich zum Beispiel gerne an unsere Nachbarin Faith, eine 28-jährige Nigerianerin, die bei uns im Pool schwimmen gelernt hat. Auch im Alltag hatte ich viel Kontakt mit Einheimischen. Vom Tischler bis zum Schneider musste ich alles organisieren und mit jedem verhandeln. Ich habe dort gelernt, was ich tun muss, damit beide Seiten bei einem Geschäft gut aussteigen. Es bringt ja nichts, wenn nur einer einen Vorteil hat und der andere erledigt ist, jeder muss sein Gesicht wahren können. Je mehr ich verhandelt habe, desto mehr Respekt wurde mir von den Einheimischen entgegengebracht, denn jemand, der sich über den Tisch ziehen lässt, wird nicht respektiert.

Uschi: Du hast deine Kinder in den Fächern Deutsch und Heimatkunde selbst unterrichtet. Außerdem besuchten die beiden die internationale Schule. Wie bist du damit umgegangen, als du erfahren hast, dass die Lehrer dort die Kinder schlugen?

Ulli: Ich bin in die Schule gegangen, habe erklärt, dass ich das nicht will, dass die Lehrer sich bei Problemen an mich wenden sollten und das war es dann.

Diese kurze Antwort ist typisch für Ulli. Sie ist lösungsorientiert. Packt die Dinge an. Das gilt für sehr Wichtiges genauso, wie für, - nun ja, nicht so Wichtiges.

Ulli: Einmal habe ich in Nigeria große Lust auf ein Schnitzel bekommen. Aber im muslimischen Norden gab es kein Schweinefleisch, sondern nur Rindfleisch und auch da nur Filet. Ich habe immer mit dem Rindslungenbraten Faschiertes oder Gulasch gemacht (lacht). Dann bin ich auf einen Schweinemarkt gefahren und habe dort ein Schwein ausgesucht. Das wurde in zwei Hälften geteilt, damit ich beurteilen konnte, ob es mir gefällt und dann habe ich es zu Hause selbst zerlegt, so wie ich es mir halt gedacht habe. Da hatte ich dann mein Schnitzerl.…. Es war aber ein kleines Schwein, nicht so eine Riesensau. Es war vielleicht so… (sie zeigt mit ihren Händen die Länge eines Meters an und lacht).

Abschied von Afrika

Uschi: Du hast dich schon vor deinem Aufenthalt in Afrika sehr viel mit Homöopathie beschäftigt und hast dich sogar entschieden, dich und deine Kinder für Nigeria außer der verpflichtenden Gelbfieberimpfung nicht impfen zu lassen. War das nicht leichtsinnig?

Ulli: Nein, ich sehe das nicht als leichtsinnig sondern eher als verantwortungsvoll. Ich habe mich viel damit beschäftigt und habe vorgesorgt. Nur eben homöopathisch. Ich habe Vor- und Nachteile abgewogen und die Nachteile einer Impfung hätten überwogen. Die Beschäftigung mit Alternativmedizin ist zwar nur ein Teilaspekt meines Lebens, aber ein wichtiger.

Die Beziehung zu ihrem Mann wurde in Nigeria nicht harmonischer, an ihrem zehnten Hochzeitstag schlug sie ihm die Trennung vor. Eine Entscheidung, die Ulli ihrer Selbstachtung schuldig war, wie sie sagt.

Ulli: Ich wollte schon noch bleiben, weil es mir dort so gut gefallen hat. Aber bei den Kindern war nach einem Besuch von österreichischen Verwandten gerade großes Heimweh geweckt worden und da habe ich es dann als meine Pflicht gesehen, dass ich zurück nach Österreich gehe.

Uschi: Also mehr Pflicht als Neigung?

Ulli: (lacht), ja eindeutig mehr Pflicht als Neigung.

Uschi: In Österreich hast du dann ein völlig neues Leben begonnen. Hast im Mühlviertel gelebt, dich um deine Kinder gekümmert. Stellst du dich so leicht um?

Ulli: Naja. Ich konnte ja nicht berufstätig sein, weil das im Mühlviertel fast unmöglich war, wenn man keine private Kinderbetreuung hatte. Da war ich viel zu Hause und mir ist die Decke auf den Kopf gefallen. Deshalb habe ich an der Universität in Linz Sprachkurse und verschiedene Vorlesungen, die mich interessierten, besucht. Aber das Leben als alleinerziehende Mutter war nicht einfach.

Leid kann man nicht vergleichen

Ulli fand einen neuen Partner und begann als Sekretärin bei der Sozialeinrichtung „pro mente“ zu arbeiten, einem Verein, der sich für psychisch beeinträchtige Menschen einsetzt. Sie absolvierte viele, vor allem psychosoziale Weiterbildungen. Sie legte das Diplom für den Fachlehrgang für psychosoziale und sozialpsychiatrische Arbeit ab, behauptet aber, dass sie nicht ehrgeizig ist.

Ulli: Da sehe ich keinen Zusammenhang, das hat nichts mit Ehrgeiz zu tun.

Uschi: Sondern?

Ulli: Mit Interesse. Mit Neugier. Und mit praktischen Dingen. Ich hatte Bildungsurlaub und Bildungsbudget und habe das einfach verwendet. Ich hatte vorher noch nie mit psychisch kranken Menschen zu tun, das war ein völlig neuer Bereich für mich und ich habe mich mit ihnen sofort verbunden gefühlt. Ich habe bemerkt, dass ich mit ihnen kann. Dass das gut hinhaut.

Uschi: Du arbeitest jetzt in der Wohnbetreuung mit älteren psychisch beeinträchtigen Menschen. Das ist eine Arbeit, für die man schon geeignet sein muss. Warum kannst du das so gut?

Ulli: Vielleicht weil ich jeden Menschen so respektiere, wie er ist, nicht in eine Schublade stecke und keine Vorurteile habe. Ich habe Achtung vor jedem Menschen, egal, welchen Background er hat.

Uschi: Aber deine Arbeit ist ja sehr belastend. Du bist täglich mit dem Leid dieser Menschen konfrontiert.

Ulli: Ich glaube man kann nicht sagen, dass jemand mehr Leid hat, als ein anderer. Jeder Mensch hat sein Problempaket, mit dem er fertig werden muss. Der eine hat körperliche Beschwerden…..

Uschi: Aber Depressionen zum Beispiel sind doch…

Ulli: Ja und Ängste und Wahn und Schizophrenie sind auch schlimm, aber trotzdem, es ist nicht das eine ärger als das andere.

…. und außerdem:

Heimatgefühl: Ich bin nirgendwo verwurzelt. Ich war die ersten 13 Jahre meines Lebens in Natternbach, habe aber auch dorthin kein Heimatgefühl, Erinnerungen ja, aber nicht mehr. Ich habe mich immer dort daheim gefühlt, wo ich gerade gewesen bin.

Durchsetzung: Ich bin pflegeleicht, aber ich nehme nicht alles in Kauf. Ich habe meine Grenzen und kann sehr hart sein, wenn die überschritten werden. Dann setze ich meine Interessen auch durch. Ich höre sehr auf meine innere Stimme. Wenn ich die ignoriere und etwas zulasse, das ich nicht gut finde, dann merke ich nach einiger Zeit, dass es für mich nicht mehr passt und dann muss ich es ändern. Also es kann schon sein, dass ich es auch übersehe und mich selbst dabei verliere. Das sind Lernprozesse. Da muss ich dann meine Mitte wiederfinden.

Kulturschock: Ich kann ich gar nicht sagen, wie mich meine Auslandsaufenthalte verändert haben, weil sie ja Teil meines Lebens, meiner Entwicklung waren. Ich war ja noch keine fertige Persönlichkeit, als ich zum ersten Mal wegging. Es hat meine Sichtweise und meine Toleranz beeinflusst. In Nigeria habe ich eine völlig andere Kultur und ein Land erlebt, das so anders war, als alles, was ich bisher gesehen hatte. Ich habe mich in Afrika so wohl gefühlt. Als ich nach Europa zurückkam, war es ein richtiger Kulturschock. Die Menschen, die auf den Straßen so finster schauen, obwohl es ihnen materiell gut geht. Sie sind so in sich gekehrt, nicht so offen wie die Afrikaner, die so eine große Lebensfreude haben.

Uschi: Auf einer Zufriedenheits-Skala von 1 bis 10 betrachtet. Wie zufrieden bist du zur Zeit mit deinem Leben?

Ulli: 9

Gerechtigkeit

Uschi: Lebst du dein Frausein bewusst? Kannst du mit der Frage, ob du Feministin bist, etwas anfangen?

Ulli: (lacht), ja ich habe mir schon gedacht, dass du so etwas fragen würdest und mir fällt nicht recht etwas dazu ein….. (überlegt)… aber es ist so, dass ich eine Gerechtigkeitsfanatikerin bin und ich finde es schlimm, dass Frauen so anders als Männer behandelt werden.

Uschi: Aber da musst du ja Zustände bekommen haben, wenn du gesehen hast, wie Frauen in Abdu Dhabi oder Nigeria behandelt werden.

Ulli mit zugelaufener Katze

Ulli: Das habe ich ja nicht so mitbekommen. Was ich in Abu Dhabi gesehen habe, waren sehr selbstbewusste Frauen, die am Markt Gold eingekauft haben oder die Frauen, die im Flugzeug auf dem Weg nach Europa den Schleier gegen den Minirock eingetauscht haben. Natürlich hatten die Frauen keine Rechte, aber das war in Nigeria nicht anders, ich denke das sind einfach andere Kulturen, ich habe das nicht beurteilt. Was ich schlimm finde, sind die Beschneidungen, wobei es schon damals immer mehr Familien gab, die das ablehnten. Darüber habe ich schon mit meinen Nachbarinnen gesprochen, die gegen die Beschneidung waren und sie auch nicht mehr praktizierten. Dass Männer glauben, dass sie mehr Rechte haben, nur weil sie Männer sind, das hat mich auch in Österreich gestört, das habe ich schon in der Familie erlebt, wo mein Bruder vieles nicht machen musste, was wir Mädchen tun mussten. Das hat mich schon gestört.

Uschi: Nach so vielen Jahren im Ausland lebst du jetzt im Mühlviertel und reist nicht mehr?

Ulli: So kann man das nicht sagen. Es sind keine längeren Auslandsaufenthalte mehr, weil das durch meinen Beruf nicht mehr möglich ist. Aber die Arbeit, die ich jetzt habe, gefällt mir sehr und ich denke nicht, dass ich etwas versäume. Jetzt ist für mich einfach die Zeit, im Beruf tätig zu sein. Und das finde ich jetzt gut.
Die Auslandsaufenthalte waren ein Teil meines Lebens und ich weiß nicht, was noch kommen wird, aber ich lasse mich einfach überraschen, denn es hat sich ja bisher auch immer alles ergeben.

Das Gespräch wurde am 21. März 2014 in Sankt Martin im Mühlkreis geführt.

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