Still sitzen kann sie nur im Kino, sonst ist sie immer in Bewegung. Sie ist eine engagierte Lehrerin und erträgt keine Langeweile im Unterricht. Prag liebt sie. Atomkraft macht ihr Angst.
Still sitzen - nur im Kino
Uschi: Du bist gestern von einem Kurzurlaub in Tamsweg gekommen und am Abend noch im Kino gewesen. Vermutlich hast du dazwischen auch noch irgendwas unternommen. Das ist typisch für dich. Du bist unglaublich interessiert an vielem und ständig unterwegs, um irgendetwas zu entdecken oder zu sehen. Ist dir das bewusst?
Ursi: Ja, das ist mir bewusst. Vielleicht ist das schon ein wenig neurotisch, aber ich kann schwer irgendwo sitzen und nichts tun, ich bin immer in Bewegung. Leerlauf fällt mir wirklich ganz schwer.
Als Ursis Tochter zwei Monate alt war, arbeitete sie an einer Schule als Lehrerin mit einer vollen Lehrverpflichtung, machte daneben das Probejahr für Italienisch an einer anderen Schule und gab noch Zusatzstunden in einer dritten Schule. Damals begann sie, immer zwei bis drei Sachen parallel zu machen.
Uschi: Hast du nie das Bedürfnis einen Abend zu Hause zu verbringen? Nichts tun? Blöd in den Fernseher zu starren?
Ursi: Nein, das macht mich nur nervös. Es ist ganz selten, dass ich zu Hause bin und mir einen Film auf DVD anschaue, und Fernsehen langweilt mich. Das mag ich überhaupt nicht.
Uschi: Aber Kino schon.
Ursi: Kino liebe ich. Ich kann fast sagen, dass ich süchtig nach Kino bin, denn wenn ich einmal zwei Wochen nicht ins Kino komme, werde ich ganz kribbelig. Ich mag die große Leinwand und das ist auch die Zeit, in der ich einfach sitze und nicht daneben irgendetwas anderes tue.
Uschi: Ich habe sogar überlegt, dieses Gespräch mit dir bei einer Wanderung zu führen, weil ich Angst hatte, dich zu lange zum Stillsitzen zu verdammen.
Ursi: Ja, genau das habe ich auch überlegt, aber dachte dann, dass du wahrscheinlich ein Gerät zum Aufnehmen brauchst. Und so neurotisch bin ich dann auch wieder nicht (lacht). Ich lebe wirklich gut damit und habe auch selten das Gefühl, dass ich gehetzt bin.
Immer etwas Neues
Uschi: Du bist sehr vielseitig interessiert. Zum Beispiel am Reisen und an Sprachen.
Ursi: Das ist einfach so gewachsen. Mit 16 war ich zum Beispiel das erste Mal in England, weil meine Englischlehrerin das vorgeschlagen hatte. Das war dann so toll, dass ich die Liebe zum Reisen entdeckt habe. Daraus hat sich dann auch ergeben, dass ich nicht Mathematik, sondern Deutsch und Englisch studiert habe. Nach einer Reise nach Sizilien habe ich mich entschieden, auch Italienisch zu studieren, was damals noch ein Exotenfach war. Ich habe glücklicherweise Fächer, in denen ich immer wieder etwas Neues machen kann, denn ich wiederhole nur selten etwas und diese drei Sprachen erlauben mir ein sehr breites Feld an Lektüre. Das ist ungeheuer spannend.
Uschi: Außer im Kino bist du auch oft im Theater anzutreffen...
Ursi: Die Liebe zum Film wurde in den 1980er Jahren durch den Film „Blue Velvet“ ausgelöst, die Liebe zum Theater durch Peter Shaffers „Equus“, das ich in London sah. Damals kannte ich ja nur das Theater in Oberösterreich, aber diese Inszenierung war experimentelles Theater. Das war ein Erlebnis und ich dachte: „Das also kann Theater sein!“. Ich habe dann auch gemeinsam mit einem Kollegen viele Theaterproduktionen mit den Schülern gemacht.
Uschi: Besteht bei so vielen Interessen nicht auch die Gefahr einer gewissen Oberflächlichkeit?
Ursi: Sicher. Davon bin ich überzeugt. Ich merke auch, dass ich Filme oder die Namen von Filmen vergesse, - das ist klar. Aber wirklich Wichtiges bleibt in mir haften.
Kein langweiliger Unterricht
Ursi ist eine äußerst engagierte Lehrerin. Sie geht mit ihren Schülerinnen und Schülern ins Theater und ins Kino, unternimmt mit ihnen Reisen nach Italien und England. Sie investiert viel Zeit und Energie in ihre Arbeit.
Ursi: Ich glaube, ich tu das vor allem für mich. Wenn ich zum Beispiel viel zu verbessern und wenig Zeit habe, dann unterrichte ich auch einmal für zwei Wochen mit Buch, also ganz klassisch. Da wird mir dann so langweilig, dass ich etwas anderes tun muss, um mich auch selbst zu motivieren. Und natürlich ist es für alle gut, wenn es im Unterricht lustig ist. Da merke ich richtig, wie die Schüler aufwachen. Langeweile im Unterricht ist für mich ganz schlimm. Wenn alle so schlapp da sitzen, dann denke ich, ich muss irgendwas tun, um sie wach zu kriegen.
Uschi: Was machst du dann zum Beispiel?
Ursi: Zum Beispiel haben wir unlängst einen Text mit Kurzgeschichten gelesen. Da habe ich die Schüler aufgefordert, sich in Ecken zu stellen und den Text zu deklamieren. Das war in einer Klasse, die ich neu bekommen hatte. Da sind die Schüler anfänglich schon etwas irritiert, aber wenn sie mich länger kennen, dann macht ihnen das Freude und sie werden dann immer besser und trauen sich viel zu. Ich glaube, das ist für ihre Entwicklung mindestens so wichtig wie Vokabel und Grammatik.
Uschi: Wenn du von deinen Schülerinnen und Schülern erzählst, merkt man, dass du sie nicht nur magst, sondern auch ernst nimmst.
Ursi: Ja, ich nehme sie ernst und mag sie sehr. Ich hatte heuer zum Beispiel zwei sehr nette achte Klassen. Ich habe sie sechs Jahre unterrichtet und da fällt mir der Abschied schwer…. ja, ich mag die Schüler sehr!
Uschi: Du wirkst jetzt, während du das erzählst, richtig gerührt.
Ursi: Nun ich habe gelernt, mir alles nicht mehr so sehr zu Herzen zu nehmen, auch wenn ich die Jugendlichen ernst nehme. Früher ging mir vieles sehr nahe und ich habe mich zum Beispiel manchmal wahnsinnig geärgert, wenn es in einer Klasse nicht so funktioniert hat, da bin ich dann mit Magenschmerzen nach Hause gegangen.
Ursi Stoff
Geboren: 1956 in Linz
Studium: Deutsch, Englisch, Italienisch. Abgeschlossen mit Mag.Phil. 1980
Ab 1980 Lehrerin für Deutsch, Englisch, Italienisch im Bundesrealgymnasium Traun
Italienisch an der Universität Linz und an der Pädagogischen Akademie
Seit 2006 Lehrerin am Österreichischen Gymnasium Prag
Verheiratet, eine Tochter, eine Enkelin
Vom Hund lernen
Ursi ist zwar eine lockere Lehrerin, die ihre Schützlinge mag, aber sie ist auch eine Lehrerin, die sehr bestimmt sein kann.
Ursi: Ja, das habe ich mit der Zeit gelernt, - seltsamerweise viel durch unseren Hund. Hunde müssen immer genau wissen, dass NEIN auch NEIN ist. Ich war als ganz junge Lehrerin manchmal etwas unklar und ich kann mich erinnern, dass am Anfang meiner Lehrtätigkeit eine Schülerin einmal zu mir gesagt hat: „Wenn Sie NEIN sagen, dann meint man, Sie sagen JA.“ Wenn man das bei einem jungen Hund macht, dann ist man verloren. Da habe ich eine große Klarheit gelernt, die mir im Unterricht sehr geholfen hat.
Uschi: Warum hast du dich überhaupt für den Lehrberuf entschieden? Mit deinem Interesse an Sprachen hättest du auch Dolmetscherin werden können.
Ursi: Da hat es nie eine Frage gegeben. Schon als kleines Kind habe ich Lehrerin gespielt: Ich hatte eine Tafel und die Nachbarsbuben mussten meine Schüler sein. Mit meiner Berufswahl bin ich auch nach wie vor sehr zufrieden.
Uschi: Was willst du denn deinen Schülern mitgeben?
Ursi: In erster Linie sollen sie die Sprachen, die ich sie lehre, gut können. Und ich möchte ihnen Mut, Zivilcourage und einen wachen Blick auf die Welt mitgeben. Dass sie immer mitdenken, - das ist für mich so wichtig! Einen wachen Geist und einen hellen Blick sollen sie bekommen und daran kann ich mit meinen Fächern so herrlich arbeiten. Man kann da mit Literatur, mit Diskussionen, mit Texten zumindest Impulse setzen.
Verliebt in Prag
Ursi unterrichtet seit acht Jahren am Österreichischen Gymnasium Prag. Dass sie deshalb jede Woche zwischen Linz und Prag pendeln muss, stört sie nicht.
Ursi: Am Anfang bin ich die Strecke Linz-Prag im Auto mit einem Kollegen unterwegs gewesen. Wenn wir von Prag nach Österreich gefahren sind, haben wir bis Budweis über die Schule geredet und diskutiert und ab Budweis war die Schule weg. Und auf der Rückfahrt begannen wir uns erst kurz vor Prag mit der Schule zu befassen. Es ist so auch eine echte Freundschaft entstanden. Der Kollege ist inzwischen in Pension und ich fahre jetzt oft mit dem Zug, wo ich gut arbeiten kann. Ich verbessere viel und bereite mich vor - das ist sehr angenehm. Dass ich am Wochenende weit weg von der Schule bin, bringt viel Energie und es ist so schön, Zeit mit meiner Familie und meiner besten Freundin zu verbringen.
Uschi: Prag hat dich von Anfang an fasziniert, warum?
Ursi: Das stimmt so nicht ganz. Wegen Temelin und meiner Vergangenheit als Oberösterreicherin, als die man ja immer den Eisernen Vorhang im Kopf hatte, war Tschechien nicht meine erste Wahl. Ich bin eher zufällig nach Prag gekommen. Aber das war dann Liebe auf den ersten Blick.
Uschi: Was gefällt dir denn an Prag?
Ursi: Prag ist einfach herrlich. Es ist so eine schöne Stadt. Ich bin keine besondere Musikliebhaberin und habe eigentlich erwartet, dass ich in Prag beginnen würde, mich mit Musik zu beschäftigen. Ich konnte kein Tschechisch und dachte, dass deshalb die Oper eine gute Möglichkeit für kulturelle Aktivitäten wäre. Aber dann entdeckte ich, dass es in Prag unheimlich viele Kinos gibt, die Filme in der Originalsprache zeigen und dass in den Theatern viele Stücke mit englischen Untertiteln aufgeführt werden. Es gibt das deutsche Theaterfestival im Herbst - ein ganz besonderer Genuss - und es gibt ein deutschsprachiges und viele internationale Filmfestivals, - ich könnte täglich ins Kino oder Theater gehen. Prag ist kulturell ein Paradies für mich. … Und ich bin kein einziges Mal in der Oper gewesen! (lacht).
Uschi: Du warst immerhin schon 50 Jahre alt, als du nach Prag gegangen bist, - in diesem Alter denken andere schon an die Frühpension. Treibt dich die Neugier? Die Langeweile?
Ursi: Das war, wie so oft in meinem Leben, purer Zufall. Ich hatte davor ein Sabbatical gemacht und sehr viel neue Energie bekommen. Ich habe dann einen Monat in Estland unterrichtet. Das war eine ganz tolle Erfahrung. Dort habe ich dann auch zufällig von der Stellenausschreibung in Prag erfahren und habe mich beworben. Als ich die Stelle wirklich bekommen habe, war ich überrascht und nicht wirklich begeistert. Mein Mann hat mir dann geraten, diesen Job zu nehmen, denn ich wollte eigentlich schon lange einmal im Ausland unterrichten und habe mir gedacht, zwei Jahre sind schnell um. Jetzt sind acht Jahre daraus geworden und es kommt noch ein neuntes dazu. So in der Mitte des Lebens im Beruf, den man mag, zu bleiben, aber einen Ortswechsel zu machen, das ist wirklich ein Geschenk.
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