Ehe auf Distanz

Ursi wird noch ein Jahr in Prag unterrichten. Für die Zeit danach hat sie auch schon Pläne.

Ursi: Ich bin ja einer der ersten Jahrgänge, die bis 65 unterrichten werden. Das war im ersten Moment schon eine Überraschung, aber jetzt denke ich, ich mache noch ein Sabbatical und dann sehe ich weiter. Ich gehe gerne nach Traun zurück, aber reizen würde mich Albanien. Auch Istanbul finde ich eine spannende Stadt, aber dort ist die Schule sehr konservativ und streng katholisch. Albanien stelle ich mir so vor wie Sizilien vor 35 Jahren. Es ist ein Kulturkreis, den ich überhaupt nicht kenne und das wäre schon interessant.

Uschi: Für eine Beziehung ist so etwas aber schon eine Herausforderung. Dein Mann war Lehrer und ist jetzt seit zwei Jahren in Pension. Ist das nicht schwierig?

Ursi: (zögert…) Nein, eigentlich nicht. Als Lehrer hatten wir oft Phasen, in denen wir wenig Zeit füreinander hatten. Früher hatte ich am Wochenende immer etwas zu verbessern oder vorzubereiten, aber in Prag habe ich Zeit für mich und kann die Schularbeit während der Woche erledigen. Und es ist schön, dass wir die gemeinsamen Wochenenden haben. Es entwickeln sich in einer Beziehung Muster: Als unsere Tochter klein war, ist mein Mann am Abend zu Hause bei ihr geblieben und ich bin schnell allein ins Kino gegangen. Das hat sich so eingespielt und blieb dann auch so, als unsere Tochter erwachsen war. Dieses Muster hat sich jetzt verändert und wir gehen am Wochenende gemeinsam ins Kino und das ist nach so langer Ehe (34 Jahre) gut. Und seit er in Pension ist, verbringt er auch viel Zeit mit mir in Prag.

Auszeit

Ursi mit Reiseführern

Vor 10 Jahren ergriff Ursi die Chance, als Lehrerin ein Sabbatical zu nehmen. Sie blickt mit großer Freude auf dieses Jahr zurück. Der Grund für die Auszeit war nicht Erschöpfung, sondern Reiselust.

Ursi: Ich fand das so eine tolle Möglichkeit und ich wollte auch einmal außerhalb der Sommerferien länger reisen. Ich war erstmals allein lange in Australien und dann mit meiner Tochter über zwei Monate in Südamerika. Auf beiden Kontinenten nutzte ich die Gelegenheit, sie zur jeweils besten Reisezeit zu besuchen und das war wunderschön.

Uschi: Was hat dir diese Auszeit gebracht?

Ursi: Erstens die unterschiedlichen Eindrücke. Es war schön so viel Zeit für eine Reise zu haben. Und es hat mir sehr viel neue Energie gebracht. Aber dann war da noch etwas: Ich habe mir in Australien auf einer Wanderung überlegt, was passieren würde, wenn ich nach Hause käme und plötzlich nicht mehr verheiratet sein oder nicht mehr unterrichten wollte. Ich habe diese Frage dann weggeschoben und bin weiter gereist. Und dann bin ich SEHR gerne wieder nach Hause gekommen!

und außerdem:

Uschi: Welche Ziele hattest du in früheren Jahren? Wie haben sich diese Ziele verändert und warum?

Ursi: Ich bin nie mit Zielen ins Leben gegangen. Ich bin immer so reingeplumpst, ich bin immer in alles reingekugelt.

Uschi: Würdest du dich als Feministin bezeichnen?

Ursi: Eindeutig. Ich weiß, es ist jetzt fast ein Schimpfwort, aber als ich als Lehrerin begonnen habe, hat sich eine Frauengruppe formiert und das war eine der wichtigsten und herrlichsten Zeiten meines Lebens. Ich finde es ganz wichtig, dass Frauen bewusst überlegen, welche Rolle sie spielen.

Uschi: Angenommen wir führen in fünf Jahren noch einmal so ein Gespräch. Wo siehst du dich dann?

Ursi: In Albanien vielleicht. Und später, wenn ich dann in Pension bin, vielleicht in der Entwicklungshilfe an einer Schule in Indien… das ist noch so in meinem Kopf…

Auf einer Zufriedenheits-Skala von 1 bis 10 betrachtet. Wie zufrieden bist du zur Zeit mit deinem Leben?

Ursi: (ohne zu überlegen) 10

Gegen Atomkraft

Uschi: Du hast dich in der Anti-Atombewegung engagiert - wie kam das?

Ursi: Ich habe ein Jahr in England gelebt und dort wurde Atomenergie immer als die sauberste Energieform gelobt. Als ich zurück nach Österreich kam, war hier die Volksabstimmung zu Zwentendorf und ich wusste nicht, wie ich abstimmen sollte. Ich hatte ja diese Zeit der Meinungsbildung und Diskussionen in Österreich versäumt. Am Tag vor der Abstimmung bin ich zufällig mit meinem jetzigen Mann Abendessen gegangen. Er hatte eine ganz klare Meinung und ich habe dann das Kreuz gegen Atomkraft gemacht. Aber wäre ich an diesem Abend mit einem Befürworter der Atomenergie ausgegangen, hätte ich vielleicht dafür gestimmt. So wenig informiert war ich.

Der Atomunfall in Tschernobyl 1986 war für Ursi ein Schlüsselerlebnis. Es begann damit, dass sie ihre Tochter vom Kindergarten mit dem Auto abholte, während sie mit dem Kind sonst immer in der frischen Luft nach Hause spazierte. Ursi begann, die vielen Berichte in den Medien besonders aufmerksam zu verfolgen.

Uris: Ich war in diesem Sommer mit meiner Freundin am Attersee und unsere Kinder durften nicht in die Wiese und wir haben sie nicht wie sonst mit frischem Gemüse gesund ernähren können, sondern haben alle möglichen Dosen gekauft. Das war so seltsam, plötzlich stimmte nichts mehr…. Dann kam ich zu der Gruppe „Mütter gegen Atom“ und habe mich richtig eingelesen. Das ist bei mir generell so, dass ich sehr viel lese, wenn ich einmal Feuer gefangen habe. Ich bin also doch nicht so oberflächlich! Und da wusste ich dann: „Das ist das Einzige, wovor man sich wirklich fürchten muss“.

Als Ursi nach Prag kam, war sie anfangs vorsichtig mit einem Bekenntnis gegen Atomkraft, weil das doch ein sehr heikles Thema ist. Das änderte sich im Laufe der Jahre.

Uris: Inzwischen bin ich sehr deutlich und ich merke, dass immer mehr Schüler skeptisch gegen Atomkraft werden. Wobei es unglaublich ist, wie überzeugt die meisten immer noch von der Atomenergie sind. Da sieht man, wie stark Information und Propaganda Menschen beeinflussen. Für mein letztes Jahr in Prag möchte ich noch eine große Podiumsdiskussion zu diesem Thema organisieren, weil es mir wirklich wichtig ist. Ich fürchte mich ja sonst nicht vor vielem, aber da habe ich wirklich Angst, dass das unsere Welt ruinieren kann.

Mutter und Großmutter

Ursi lesend

Uschi: Du hast eine Tochter, auf die du stolz bist und zu der du ein sehr gutes Verhältnis hast.

Ursi: Sie ist ein Knackpunkt in meinem Leben. Wir verstehen uns meistens wirklich sehr gut. Julia hatte mit acht Jahren einen schweren Schiunfall. Das war eine Wende in meinem Leben. Sie war zwei Monate eingegipst und mir ist so bewusst geworden, was für mich im Leben wirklich wichtig ist. Und wenn meine Schülerinnen und Schüler Krankheiten haben, versuche ich auch für sie da zu sein, denn damals hat uns Julias Lehrerin enorm geholfen.

Uschi: Deine Tochter lebt hauptsächlich in Berlin, aber ihr könnt in eurer Familie offenbar ohnehin mit Entfernungen gut umgehen.

Ursi: Ja. Mit diesen herrlichen Technologien ist das auch sehr viel leichter.

Uschi: Du bist inzwischen Großmutter. Welches Bild hast du da von dir?

Ursi: Es war mir schon klar, dass Großmutter zu sein, etwas sehr Nettes ist, aber dass es so schön ist, hätte ich mir nicht gedacht. Unglaublich, welche Bereicherung so ein kleiner Zwerg sein kann. Meine Enkelin ist ein sehr offenes Kind, das nichts hinunterschluckt, sondern auch einmal bitzelt. Darüber bin ich sehr froh. Ich mag es, wenn sie zeigt, dass sie sich ärgert, so wie ich das auch bei meinen Schülern schätze. Mir ist lieber, sie sind ehrlich als angepasst.

Die beste Freundin

Einige Wochen nach unserem Gespräch, denkt Ursi beim Laufen darüber nach, dass sie ihre beste Freundin, die gerade auf Urlaub in Italien ist, vermisst. Dabei fällt ihr ein, dass diese Freundschaft für sie so wichtig ist, dass sie auch im Interview nicht fehlen darf.

Ursi: Außer meiner Familie haben mich im Laufe meines Lebens viele Menschen beeinflusst oder sind mir wichtig. Aber meine beste Freundin hat einen besonderen Stellenwert. Schon seit der Mittelschule sind wir best friends und das ist bis heute so geblieben.

Uschi: Es ist ungewöhnlich, dass eine Freundschaft so lange hält.

Ursi: Wir haben sehr viel gemeinsam erlebt. Wir haben die Kinder gleichzeitig bekommen, die Hunde gleichzeitig gekriegt und viele Reisen zusammen unternommen. Wir haben viel Spaß miteinander und haben eine enge Seelenverwandtschaft.

Uschi: Ist eine Freundschaft zwischen Frauen anders als die zu einem Mann?

Ursi: Auf alle Fälle, weil man mit der Freundin Sachen anders besprechen kann. Ich schätze zum Beispiel an meiner besten Freundin, dass wir, wenn es Probleme zu Hause gibt, nicht über Männer herziehen, sondern in Ruhe darüber reden. Das hilft dann auch sehr.

Uschi: Gehört zu dieser Freundschaft auch, dass ihr euch nicht immer nur bestätigt, sondern Kritik aneinander übt?

Ursi: Ja, wir sagen uns liebevoll, wenn wir etwas nicht gut finden. Es ist eine Freundschaft in allen Facetten und ich glaube, dass so eine Frauenfreundschaft ein sehr wichtiger Bestandteil eines zufriedenen, glücklichen Lebens ist.

Das Interview wurde am 23. April 2014 in Linz geführt.

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