Alltag in Singapur oder Kochfaul

Maria lebt mit ihrem Ehemann in einer schönen Apartmentanlage mit Swimmingpool und Fitnessstudio. Ihr Alltag ist stark von der Arbeit geprägt.

Maria: Unsere Tage sind lang und unregelmäßig, je nachdem, ob ich ein Seminar halte oder coache und mein Mann auf Dienstreise ist oder ob Firmengäste da sind, mit denen gemeinsame Essen auf dem Programm stehen, bei denen ich dann auch dabei bin. Maria

Uschi: Dein Mann ist beruflich in ganz Asien unterwegs und regelmäßig auch in Pakistan. Hast du manchmal Angst um ihn?

Maria: Das habe ich mir abgewöhnt. Früher hatte ich mehr Angst, vor allem als es noch kein Handy gab und es schwer war, Kontakt zu halten. Aber ich würde wahnsinnig werden, wenn ich mir immer Sorgen machen würde.

Uschi: Du achtest sehr auf gesunde und ausgewogene Ernährung, aber du kochst nicht.

Maria: Ich kann es zwar, aber ich bin kochfaul, mein Mann hingegen liebt es zu kochen. Wenn er auf Dienstreisen ist, kocht er entweder vor oder ich lebe von Salaten und Sandwiches.

Uschi: Bist du in einem Freundeskreis in Singapur? Singapur ist ja weniger eine Stadt zum Leben, als mehr zum Geschäftsleben.

Maria: Das ist richtig, deshalb ist es dort auch ein ständiges Kommen und Gehen. Fast alle haben Verträge für zwei oder drei Jahre, aber es ist ein Kern an Freunden da. Allerdings bin ich in meiner Arbeit sehr viel mit Menschen zusammen und brauche es auch als Ausgleich mich zurückziehen zu können.

Von der Großstadt aufs Land

Uschi: Singapur ist ja eher nicht der Ort, an dem man sein Alter genießen kann, die meisten, die dort leben, kehren wieder in ihr Ursprungsland zurück. Auch ihr werdet das tun. Glaubst du, dass du dich an den langsameren Lebensrhythmus hier wieder gewöhnen kannst?

Maria: Wenn wir nach Österreich zurückkommen, dann wird das ein doppelter Umbruch sein. Der Wechsel vom Arbeitsleben in den Ruhestand und der Wechsel von der Großstadt zum Landleben. Wir haben erlebt, dass Freunde in ähnlichen Situationen nach sechs Monaten wieder zurück nach Singapur kamen, weil sie die Heimat, beziehungsweise das ruhigere Leben dort nicht mehr aushielten. Wir setzen uns schon jetzt sehr bewusst damit auseinander, welche Art von Leben wir dann führen könnten.

Uschi: Die Vorstellung, vor diesem schönen Holzhaus draußen auf der Gartenbank zu sitzen, ist also keine erfüllende Vision?

Maria: Nein, sicher nicht. 365 Tage im Jahr Österreich - nein, das glaube ich nicht. Wir haben eher das Motto „enjoy Asia“ solange wir noch dort sind, denn es gibt noch ein paar Plätze, die wir uns anschauen wollen. Später soll es dann „explore Europe“ heißen. Dazu gehört Österreich, aber auch der hohe Norden, Spanien, Griechenland, Italien und so weiter.

OrtsverÄnderung als Konzept

Die Wendepunkte in Marias Leben waren immer mit örtlicher Veränderung verbunden. Das begann schon früh.

Maria: Wir sind als Kinder zuerst von Hamburg nach Heidelberg, dann weiter nach Berlin gezogen, wo wir eine wunderschöne Kindheit hatten. Die Übersiedlung von Berlin nach Neuhofen an der Krems, als meine Schwester und ich Teenager waren, war ein Kulturschock. Da mussten wir zum Beispiel lernen, dass es nicht Betong und Balkong heißt und wir nicht Butterstulle sagen sollten. Dazu kam der Schulwechsel. Das war schon einschneidend.Maria

Ein Austauschjahr bei einer Gastfamilie in den USA bedeutete den nächsten Wendepunkt, und als Maria zurückkam, folgte wieder ein Umbruch.

Maria: Unsere Eltern beschlossen noch vor unserer Matura, dass meine Schwester und ich in unseren eigenen vier Wänden leben sollten. Aber nicht zusammen, sondern meine Schwester in Linz Urfahr und ich im Süden von Linz. Wir sollten lernen, einen Haushalt zu führen und mit Finanzen zurechtzukommen. Wir hatten ein Budget für unsere Ausgaben, die Miete für die Garconnieren zahlten die Eltern.

Uschi: War das im Rückblick ein guter Schritt oder hättet ihr noch mehr Geborgenheit gebraucht?

Maria: Ich weiß nicht, ob das gut oder schlecht war. Was mich schon angezipft hat war, dass wir in Linz lebten, die Schule in Traun war und die Freunde und Eltern in Neuhofen lebten. Vielleicht hatten unsere Eltern Angst, dass wir in Neuhofen versumpfen… ich habe zu meinem Vater später immer gesagt, dass er selber schuld war, dass seine Töchter fern von ihm im Ausland leben. Sein Konzept ist aufgegangen.

.....und außerdem:

Heimat: In den ersten Jahren hatte ich nach drei bis vier Monaten immer Heimweh nach Österreich. Da sind mir Singapur, die Hektik der Großstadt, die vielen Menschen zu viel geworden, aber das hat sich verändert. Wenn ich jetzt in Österreich bin, freue ich mich auf Singapur und wenn ich dort bin, freue ich mich auf Österreich. Ich fühle mich in den Tropen und in meiner Arbeit sehr wohl, aber ich genieße es auch hier in Niederwaldkirchen im Haus, mit den Freunden, der Familie und der frischen Luft. Ich schätze es sehr, diese zwei verschiedenen Plätze zu haben.

Klima: An das tropische Wetter und die Schwüle in Singapur gewöhnt man sich. Das ist halt so wie es ist. Aber die Umweltverschmutzung und der Smog sind schon sehr belastend. Was ich in Singapur vermisse, ist die frische Luft. Es ist in Österreich so toll, dass man den Wasserhahn aufdrehen kann und herrlich trinkbares, chemikalienfreies Wasser herauskommt.

Champagner: Im Englischen sagt man „work hard, play hard“. Ich arbeite viel und gern - zumindest die meiste Zeit, aber ich lasse es mir auch gerne wirklich gut gehen und genieße einen gewissen Luxus auch sehr bewusst.

NÄhe trotz Distanz

Marias Schwester lebt seit vielen Jahren in den USA. Die Beziehung zwischen den Schwestern war über die Jahre unterschiedlich eng.

Maria: Es gab Zeiten, in denen wir uns nicht oft gesehen haben, aber in den letzten Jahrzehnten sind wir uns schon nahe gewesen. Obwohl ich sie jetzt auch schon über ein Jahr nicht gesehen habe.

Uschi: Nähe trotz örtlicher Distanz also.

Maria: Ja, das sind wir gewohnt. Wir sind nur 15 Monate auseinander und immer in derselben Schulklasse gewesen, weil meine Schwester früher und ich später mit der Schule begonnen hatte. Auch heute noch telefonieren wir zwischen Singapur und Colorado mehrmals in der Woche.

Emotionale Intelligenz

In Marias Beruf als Coach geht es viel um emotionale Intelligenz. Die beinhaltet soziale Intelligenz, die Fähigkeit im Team zu arbeiten und ähnliches.

Maria: Es war nicht unbedingt mein Ziel in diesem Bereich tätig zu sein. 1995 kam das Buch von Daniel Goleman über emotionale Intelligenz heraus, das mich damals sehr ansprach, weil ich selbst sehr emotional war und immer lernen wollte, wie ich meine eigenen Emotionen besser managen könnte. Bei einem Vortrag zum Thema lernte ich den Mann kennen, der das Thema nach Singapur brachte und begann, bei ihm zu arbeiten. Heute ist es vor allem im Geschäftsleben immer wichtiger geworden, Emotionen zu erkennen und weiterzuentwickeln. Es ist nach wie vor ein Kerngebiet meiner Arbeit.

Uschi: Wo liegen denn deine Stärken im Beruf?

Maria: Ich glaube an das, was ich unterrichte, an die Effektivität und den Erfolg von Coaching. Ich habe eine gute Ausbildung und die Leidenschaft zu coachen.

Uschi: Was ist das Ziel, wenn du in ein Coaching gehst?

Maria: Die Ziele werden von der Person, die zum Coaching kommt oder von der Firma, die den Coach bucht, gesetzt.

Uschi: Arbeit als Coach - wie kann man sich die genau vorstellen? Beispiel?

Maria: Ich werde zum Beispiel jemandem als Coach zu Verfügung gestellt, der eine neue Position in einem Unternehmen hat. Ich unterstütze ihn dann, damit er die neuen Herausforderungen meistern kann. Oder bereite jemanden auf eine neue Position vor. Bessere Selbstkenntnis, Selbstmanagement, soziale Kompetenzen können Ziele sein, oder mehr Effektivität und Effizienz im Führungsbereich, das kommt ganz darauf an. Ich hatte auch einmal eine Mutter von drei Kindern als Klientin. Sie überlegte, wie sie ihr Leben gestalten sollte, wenn die Kinder außer Haus sind. Oder eine andere Frau in hoher Position, die außerhalb ihrer Arbeit Erfüllung suchte und eine soziale Tätigkeit suchte.

Erfolg als Lebensthema

Maria coacht hauptsächlich Manager der mittleren und oberen Führungsebene. Bei einem Jobwechsel coacht sie zum Beispiel jemanden, damit er in seinem neuen Job möglichst schnell möglichst erfolgreich ist.

Uschi: Irgendwie geht es immer um Erfolg?Maria

Maria: Es geht auch darum, dass eine Person noch Fähigkeiten entwickeln muss, um abgerundeter zu sein, als Vorbereitung für die nächste Stufe in der Karriere. Es gibt ein paar Klienten, die mich privat engagieren, weil sie Klarheit über dieses haben wollen oder jenes für sich definieren oder Coachinggespräche als Reflektionsmöglichkeit haben wollen, aber eigentlich geht es um Erfolg in irgendeiner Variante.

Uschi: Geht dir da nicht eine Ebene ab? Wenn es immer nur um Erfolg, sprich um Geld, geht und nicht zum Beispiel um innere Zufriedenheit?

Maria: Die ist ja auch Teil von Erfolg.

Uschi: Kann man nicht auch ohne Erfolg innerlich zufrieden sein?

Maria: Naja, es kommt darauf an, was man als Erfolg bezeichnet. Es kann passieren, dass Leute von der Position und vom Geld her erfolgreich sind, aber die Zufriedenheit nicht da ist. Es kann auch Teil des Coachings sein, sich anzuschauen was fehlt oder was sich verändern soll.

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Beruf als Mittelpunkt

Uschi: Was trägt in deinem Leben zur Zufriedenheit bei? Der berufliche Erfolg?

Maria: Mir gibt mein Beruf sehr viel Zufriedenheit. Wenn ich sehe, wie sich Menschen im Zuge von Coaching verändern können oder dass es ihnen nach dem Coaching besser geht oder danach etwas besser funktioniert oder sie mehr Klarheit, mehr Wissen, mehr Kompetenz haben, - das ist unheimlich schön mitzuerleben.

Uschi: Dein Mann und du seid beide beruflich sehr erfolgreich. Dieses Berufliche spielt bei Euch eine große Rolle. Schon rein zeitlich betrachtet.

Maria: Ja, wir arbeiten beide gerne und beide gewinnen wir sehr viel Energie, wenn wir etwas aufbauen oder weiterentwickeln. Das ist in uns drinnen.

Uschi: Ein Leben ohne Beruf?

Maria: In meiner Arbeit gibt es ja keine Altersgrenze. Will ich ewig in Singapur weiterleben? Sicher nicht. Will ich mir in Österreich etwas Neues aufbauen? Das weiß ich noch nicht. Das Zentrum des Geschäftslebens ist halt Asien.

Uschi: Auf einer Zufriedenheits-Skala von 1 bis 10 betrachtet. Wie zufrieden bist du zur Zeit mit deinem Leben?

Maria: Zehn. Ich bin voll zufrieden.

Das Gespräch wurde am 23.Dezember 2015 in Niederwaldkirchen geführt.

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