Zu wenig Frauensolidarität
Silvana hat viele Jahre für das „Magazin für die Frau“ im ORF Radio Ö2 gearbeitet, - damals, in den 80er und den frühen 90er Jahren eine Sendung, die sich immer wieder feministischer Themen annahm.
Silvana: Ich bin eine extreme Vertreterin der Frauensolidarität und die ist sehr im Schwinden. Das schwächt die Frauen und stärkt die Männer. Und ich glaube auch, dass Männer offener und auf einer anderen Ebene kämpfen. Wenn ich in meinem Leben zurückschaue, habe ich wesentlich mehr Auseinandersetzungen mit Frauen als mit Männern gehabt.
Uschi: Bedienst du da jetzt nicht die „Zickenkriege“- oder „Stutenbissigkeit“-Klischees? Würdest du dich als Feministin bezeichnen?
Silvana: Ja, ich würde das. Für mich ist es aber vor allem wichtig an der Basis zu beginnen. Wenn ich mich entscheiden müsste, zu einem Abend zu gehen, bei dem über feministische Themen abgestimmt wird und bei dem meine Anwesenheit wichtig wäre, aber ich weiß, dass eine Frau keinen Babysitter hat und dringend zu ihrer Arbeit müsste, dann würde ich ohne nachzudenken das Kind nehmen. Mehr Zusammenhalt unter den Frauen, Solidarität, darum geht es mir vor allem.
Uschi: Aber genau der „alte“ Feminismus steht ja für das Gemeinsame. Aber dir hat der Feminismus wohl kein Gefühl von Solidarität vermittelt.
Silvana: Mir war der Feminismus oft eine Spur zu theoretisch und ich habe den Eindruck gehabt, einige Feministinnen vergessen die Basis. Dass sie nicht sehen, wie es der heute viel zitierten Supermarkt-Kassiererin geht. Dass sie vergessen wie der Frauenalltag ausschaut.
Uschi: Aber Feminismus versucht ja genau das. Den Frauenalltag positiv zu verändern.
Silvana: Ja schon, aber so habe ich das in der Praxis erlebt.
Krankheit als Bedrohung
2013 erkrankte Silvanas Ehemann an Lungenkrebs. Nach zwölf gemeinsamen Jahren, in denen er immer gesund war, empfand sie die Diagnose wie ein Erdbeben. Alles andere im Leben wurde unwichtig, denn da war plötzlich die Bedrohung durch die Krankheit. Eine latente Bedrohung, die trotz erfolgreicher Operation und Therapie blieb. Gemeinsam erarbeitet das Paar Strategien, damit umzugehen.
Silvana: Alltag herzustellen hilft mir sehr. Viel zusammen sein auch. Seltsam ist, dass man in eine Rolle wechselt, die einem Paar nicht gemäß ist. Ich wurde sozusagen zur Mutter. Und da muss ich mich immer selbst beobachten. Ich finde, wenn einer in einer Beziehung die Vater- oder Mutterrolle übernimmt, dann tut das der Beziehung nicht gut. Das lässt sich ja auch bei Paaren beobachten, bei denen beide gesund sind.
Uschi: Durch so eine schwere Krankheit kann in einer Partnerschaft auch eine große Nähe entstehen, die anders kaum möglich wäre. Hast du so etwas verspürt?
Silvana: Ja, absolut. Für unsere Beziehung trifft das sicher zu. Anderseits gibt es halt auch viele Beziehungen, die daran zerbrechen. Ich glaube, dass das eine Beziehung sehr in Frage stellen kann. Und der Erkrankte verändert sich ja auch. Nicht nur die Rollenverteilung, die ich schon angesprochen habe, - es ist einfach alles anders.
Uschi: Die Krankheit hat Auswirkungen auf die Beziehung, aber sie hat ja außerdem Auswirkungen auf dein eigenes, ganz persönliches Leben, sofern man das getrennt von der Beziehung betrachten kann.
Silvana: Das eigene Leben ordnet sich unter. Da werden Prioritäten gesetzt. Wenn mein Partner krank ist, kümmere ich mich nicht um meinen Schnupfen, aber auch sonst kümmert sich niemand um meinen Schnupfen. Das ist völlig in Ordnung so. Es ist einfach Ausdruck dessen, was wichtig ist.
Wichtige Bücher in chronologischer Reihenfolge:
Pearl S. Buck: Und fänden die Liebe nicht
Fjodor Dostojewski: Der Idiot
Albert Camus: Der Mythos des Sisyphos
Jean-Paul Sartre: Der Ekel
Doris Lessing: Das goldene Notizbuch
Samuel Beckett: Wie es ist
Juan Rulfo: Pedro Páramo
Harry Mulisch: Das Attentat
Anna Mitgutsch: Familienfest
Christian Steinbacher: Zwirbeln, was es hält
Ende oder Neubeginn
Mit 53 Jahren ging Silvana in eine Art Vorruhestand, ein Modell, das der ORF seinen Mitarbeiterinnen ab einem gewissen Alter ermöglicht. Seitdem ist kein Tag vergangen, an dem sie die neu gewonnene Freiheit nicht wunderschön gefunden hat.
Silvana: Ich hatte früher immer das Gefühl, dass ich meine Zeit sinnvoll verbringen musste. Wenn ich mir zum Beispiel einen Film angesehen habe, der nicht gut war, habe ich mich sehr über die verlorene Zeit geärgert. Das ist jetzt anders. Und vor allem genieße ich die Freiheit, nur mehr mit Menschen zusammen zu sein, mit denen ich zusammen sein will. Ich muss nicht ins Studio und mich irgendjemandem auseinandersetzen, mit dem ich mich gar nicht auseinandersetzen will.
Uschi: Du hast das Masterstudium Politikwissenschaft erfolgreich abgeschlossen. War dir die Freiheit doch zu wenig?
Silvana: Nein, ich wollte mich selbst herausfordern. Und ich wollte einfach einmal etwas anderes tun, als nur Häppchen zu produzieren, wie ich es in den letzten Jahren in meiner Arbeit als Radio-und Fernsehjournalistin getan habe. Ich wollte etwas Substantielles. Und ich habe es dann sehr genossen, mehr als drei Monate an einer Arbeit mit einem bestimmten Thema zu sitzen und 160 Seiten zu schreiben. Und die Zeit dazu zu haben. Abgesehen davon, dass ich ja nicht wusste, ob ich die Aufnahmefähigkeit zu so etwas noch hatte. Ich wollte mich mit diesem Studium schon auch selbst beweisen.
Uschi: Du hast drei Bücher geschrieben. Alle drei haben einen eher journalistischen Ansatz. Das letzte Buch beschreibt deine Begegnungen mit oberösterreichischen Autorinnen und Autoren. Wärst du nicht gerne einmal auf der anderen Seite? Hast du selbst keine literarischen Ambitionen?
Silvana: Bei meinem letzten Buch habe ich intensiven Einblick bekommen, wie ein Text entsteht. Da ging es darum, wie reizvoll es ist Figuren zu entwerfen. Und das hat mich schon sehr fasziniert. Es gibt Autoren, die sich im Gespräch zum Beispiel überlegen, was würde meine Figur jetzt dazu sagen. Diese Verschmelzung mit den Figuren finde ich faszinierend. Ich habe jetzt mit ein paar Texten begonnen, aber bisher sehr spielerisch.
Uschi: Könnte das Ende deines Berufes auch ein Neubeginn sein?
Silvana: Ja und ich kann auch herrlich spintisieren, wenn ich an die Zukunft denke. Im Gespräch mit einer Freundin zum Beispiel stellten wir fest, dass es in Linz nur wenige schöne Kaffeehäuser gäbe. Eine Marktlücke wäre ein Kaffeehaus, das die Leute besuchen können, die mit jemandem reden wollen. Aber nicht auf einer therapeutischen Ebene, sondern so, damit sie jemanden haben, den sie bequatschen können. Ich merke, dass es sehr viele Leute gibt, die so ein Bedürfnis zum Reden aber keinen Gesprächspartner haben.
Uschi: Und du würdest dich dann bequatschen lassen?
Silvana: Ja, das könnte ich mir gut vorstellen (lacht). Aber ich weiß natürlich, dass das utopisch ist…..
Das Gespräch wurde am 16. Jänner 2014 in Linz geführt.
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