Die Wendepunkte in ihrem Leben waren immer mit örtlicher Veränderung verbunden. Seit zwanzig Jahren lebt sie in Singapur, ihre zweite Heimat hat sie im Mühlviertel gefunden. Als Coach ist emotionale Intelligenz ihr Hauptthema. Fürs Kochen ist ihr Ehemann zuständig, beruflicher Erfolg ist ihnen beiden wichtig.


Immer hÖher hinauf

Uschi: „there ist always a higher level…“ - es gibt im Leben, in der Performance, im Beruf immer noch etwas zu erreichen… - so in etwa bietest du deine Dienste als Coach an. Ist das wirklich auch für dich als Mensch wichtig? Immer noch eine Stufe hinaufzusteigen? Mehr zu wollen?Maria

Maria: Es muss nicht unbedingt hinauf oder mehr sein, aber es ist wichtig, sich weiterzuentwickeln, nicht stehen zu bleiben. Das ist mir ein Bedürfnis, das gibt mir Energien, das begeistert mich.

Uschi: Bist du ehrgeizig?

Maria: Ehrgeizig weniger, ich würde eher sagen, interessiert. Ich habe eine gewisse Neugierde, ich bin lernfreudig und habe mir oft überlegt, was ich besser machen könnte, wie ich meine Fähigkeiten besser einsetzen könnte.

WeltbÜrgerin mit Wurzeln

Uschi: Du lebst seit zwanzig Jahren in Singapur und hast schon früh gelernt, in anderen Ländern zurechtzukommen. Du lebst kosmopolitisch. Fühlst du dich als Weltbürgerin?

Maria: Als Weltbürgerin mit Wurzeln (…lacht). Hier in Niederwaldkirchen, wo wir ein Haus gebaut haben, habe ich zum ersten Mal in meinem Leben einen Platz, an den ich kommen kann, wenn einmal etwas sein sollte. Auch dass wir jetzt eine Wohnung in Graz, der Geburtsstadt meiner Eltern, haben, ist für mich emotional sehr bedeutungsvoll.

Uschi: Dein erster Mann war Amerikaner, du bist seinetwegen in die USA gezogen, hast in Austin, in Texas gelebt - bist aber dort nicht glücklich geworden?

Maria: Es war äußerst schwierig. Ich hatte im ersten Jahr (ich war damals 23) enorme Schwierigkeiten Arbeit zu finden, dabei hatte ich in Österreich schon einen tollen Job gehabt. In Texas arbeitete ich abends als Kellnerin und wir hatten sehr sehr wenig Geld. Ich ging damals nach der Arbeit um Mitternacht mit meinem verdienten Trinkgeld einkaufen und musste dabei immer genau rechnen, welche Lebensmittel sich noch ausgingen. Erst nach einiger Zeit fand ich einen guten Job und arbeitete von da an sehr, sehr viel.

Der Wendepunkt

Als Maria zwei Jahre in den USA verbracht hatte, starb ihre Mutter und ihr damaliger Mann ging nach Bogota, um dort für seine Doktorarbeit zu recherchieren. Sie brach ihre Zelte in Austin ab.

Maria: Die Stadt hat mir zwar gut gefallen, Austin war damals mit 700.000 Einwohnern noch nicht so groß und hatte auch kulturell viel zu bieten, aber irgendwie hatte ich damals ein sehr starkes Bedürfnis danach, wieder in Österreich zu sein und mit zehn Tagen Urlaub, wie das in Amerika üblich war, kommst du halt nicht weit.

Uschi: Hat der Tod deiner Mutter da auch eine Rolle gespielt?

Maria: Ja, ganz entscheidend. Das hat mich dazu gebracht, mir mein Leben genauer anzuschauen. Ich merkte, dass meine Ehe nicht funktionierte und dass ich Abstand und Bedenkzeit brauchte. Ich begann nachzudenken, wollte die Dinge bewusst machen und nicht mehr einfach passieren lassen. Ich trennte mich von meinem Mann. Diese Zeit war ein massiver Wendepunkt in meinem Leben.

Maria Amerstorfer

Geboren 1963 in Hamburg, aufgewachsen in Berlin und Oberösterreich

1980/81 Austauschschülerin in den USA

1985/86 Assistenz Verkaufsdirektor BrauAG, Linz

1986 – 1990 Austin, Texas

1991 – 95 Aufbau der Personalberatung für Adia

1995 Übersiedlung nach Singapur

1996 Master of Science in Human Resource Development

Ab 1996 diverse Ausbildungen im Bereich Coaching und Supervision

2014 Diploma in Coaching- und Leadership Supervision

Maria arbeitet als Coach in Singapur, China, Malaysien und Indonesien

Sie ist in zweiter Ehe verheiratet

Zugriff auf sein Konto

Uschi: Man sollte meinen, für eine gescheite Frau reicht es, wenn sie einmal wegen eines Mannes ihren Beruf und ihr Land aufgibt - du hast dir das ein zweites Mal gegeben?

Maria: ja (… lacht herzlich). Und dabei ging alles so schnell. Am 1. Oktober lernten wir uns kennen und am 9. März zog ich nach Singapur. Aber ich wusste genau, das passt. Maria

Maria hatte damals einen guten Job. Sie hatte die Personalberatung bei einem Leasingunternehmen in Österreich aufgebaut. Kurz nach dem ersten Kennenlernen flog sie nach Singapur, und an ihrem letzten Abend dort wurde ein gemeinsames Leben in Asien vereinbart.

Maria: Dann flog ich zurück, er kam nach einiger Zeit nach und fragte mich, ob ich schon gekündigt hätte. Da setzte ich ihm auseinander, dass ich meinen Job nur aufgäbe, wenn ich meine finanzielle Unabhängigkeit bewahren könnte und nie um Geld fragen müsste. Ich erklärte ihm, ich könnte nur kommen, wenn ich Zugriff auf sein Konto hätte (...lacht) - ich kann mir gar nicht vorstellen, dass ich das tatsächlich zu ihm gesagt habe! - Jedenfalls hat er dieser Bedingung zugestimmt und am nächsten Tag habe ich gekündigt.

Uschi: Das ist ja ein seltsamer Widerspruch. Normalerweise macht sich eine Frau, die von einem Mann Geld will, abhängig von ihm, du aber wolltest dir damit sozusagen deine Unabhängigkeit sichern. Dein Weg in die Unabhängigkeit war ein wenig krumm.

Maria: (...lacht) Ja, ich wollte einfach nicht um neue Schuhe fragen müssen...

Leben in Asien

Singapur ist zwar sehr westlich orientiert, aber es war nicht leicht für Maria, sich dort ein neues berufliches Leben aufzubauen.

Maria: Es war zum Beispiel schwer eine Arbeitsgenehmigung zu bekommen. Anfangs hatte ich einen sogenannten Dependent Pass, ein Dokument, das vom Employment Pass meines späteren Mannes abhängig war. Hätte es zwischen uns nicht geklappt, hätte ich meinen Pass verloren. Ich konnte kein eigenes Telefon kaufen, keine Wohnung mieten, hatte keine Unterschriftsberechtigung bei Verträgen.

Uschi: So etwas ist ja nicht gut für Beziehungen.

Maria: Naja, das Wort „dependent“ hat mich schon gestört, aber ich wusste halt, dass es nicht anders ging und dann machte mir die Sache auch Spaß. Ich sah darin eine Chance, mich beruflich zu verändern, zu studieren und machte dann meinen Master in Human Resource Development.

Uschi: Dein Mann ist beruflich sehr erfolgreich und viel in ganz Asien unterwegs - kannst du gut allein sein?

Maria: Ich genieße es. Ich bin gerne unter Menschen, aber ich ziehe mich auch gerne zurück und kann Tage alleine verbringen und bin mit mir selber zufrieden.

PlÖtzlich vier Kinder

Uschi: Dein späterer Mann hatte zum Zeitpunkt eures Kennenlernens schon vier Kinder von seiner geschiedenen Frau. Wie war es für dich, plötzlich Teil einer Großfamilie zu sein.Maria

Maria: (...lacht) Ich sehe noch vor mir, wie er zu mir in die Wohnung kam und da saßen alle vier Kinder (zwischen 9 und 16) auf dem Sofa und ich gegenüber. Wir haben dann auf den 50 Quadratmetern viel improvisiert. Es ging darum, wer wo schläft, wie man aus Sitzkissen Betten kreieren kann und wie man zu sechst mit einem Minibadezimmer auskommt.

Uschi: Bist du im Laufe der Jahre so etwas wie eine Mutter geworden? Eine Freundin? Eine Art Tante?

Maria: Am wenigsten Mutter, das habe ich auch nie versucht. Die Kinder haben ja immer bei der leiblichen Mutter gewohnt und wir hatten miteinander Besuchs-oder Ferienzeiten. Es hat schon Momente geben, wo ich einmal geschimpft habe, aber ich war wohl eher so etwas, wie die ältere Freundin.

Uschi: Ihr hattet ja schon allein durch die örtliche Distanz eine besondere Situation. Aber finanziell sind vier Kinder, die fast alle studieren, natürlich spürbar.

Maria: Es entstehen schon gewisse Dynamiken, die Patchworkfamilien so haben. Der Mangel an Zeit wird dann manchmal auch mit einer gewissen Großzügigkeit an Geschenken oder finanzieller Unterstützung kompensiert, aber so ist das halt.

Uschi: Und das war für dich nie ein Problem?

Maria: Es hat da einmal einen Moment gegeben, in dem mir klar wurde, dass die Kinder ein gesetzliches Recht auf eine gewisse Höhe von Alimenten haben. Es war mir bis dahin nie in den Kopf gekommen, dass ich beim gemeinsamen Hausbau darauf achten sollte, dass ich beim Haus als Miteigentümerin eingetragen wäre. Das änderte sich dann. Liebe und gute Beziehungen sind das eine, aber die gesetzliche Lage ist das andere und da bin ich dann schon sehr pragmatisch und denke auch an meine Sicherheit. Und dieses Haus als Sicherheitsnetz ist mir einfach sehr wichtig.

Uschi: Tat es dir nie leid, dass du keine eigenen Kinder hast?

Maria: Wir haben am Anfang unserer Beziehung darüber gesprochen, ich sagte damals meinem Mann, ich würde es ihn wissen lassen, wenn der Wunsch danach bei mir kommen sollte. Aber dieser Wunsch kam nie. Ich sehe ja in meiner Umgebung, was es heißt, Mutter zu sein und ich denke, man soll sich die Frage, warum man ein Kind möchte, schon beantworten können, die meisten Eltern, die ich kenne, haben mehr Stress als Freude an ihrem Nachwuchs.

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